„Andere Tour“
- Bisher:
Herausforderungen, Abenteuer, teilweise grenzgängige Routen, physische und psychische Belastungen, oft „Überlastungen“ – Sightseeingtouren mit Sigrid an wunderschöne Orte in Südamerika (Machu Picchu, Uyuni, San Pedro de Atacama, …). - Die letzten drei Monate:
Diese Tour hat sich als Reise zu und mit Menschen entwickelt: Viele „alte“ Bekannte getroffen, viele neue Menschen als Freunde gewonnen, bei und mit diesen Freunden gewohnt, getourt … Eine ganz andere Erfahrung.
Der letzte Teil der Reise ist eine reine Motorradtour
„Motorradfahren bis zum Abwinken“
Biking to the south
Eigentlich wollte ich in San Juan eine Ferienwohnung mieten. Nito: Du kannst schon reisen wie sonst auch, aber es wäre auch möglich bei den „Freunden in San Juan“ zu wohnen – Einen Versuch wert! So ziehe ich im Haus von Nito ein, im Zimmer seiner Söhne ist genug Platz. Die beiden sind Profi-Volleyballer und seit einigen Jahren in Europa unter Vertrag, aktuell in Polen. Auch Nito war ein Volleyballer, er spielte viele Jahre in Italien und im argentinischen Nationalteam, Teilnehmer bei den olympische Spielen, später Technical director und Präsident des nationalen Volleyballverbandes. Sein Bruder Raul ist noch heute eine Legende in dieser Sportart. Die Freunde von Nito sind entweder Volleyballer oder Motorradfahrer. Ich lerne, dass es in Argentinien einfach ein Muss ist, seine Freunde zu sich nach Hause einzuladen, am Besten sie bei sich wohnen zu lassen – so werde ich die nächsten Tagen im Freundeskreis herumgereicht, wohne bei Damian, Asados, jeden Tag bei einem anderen Amigo, … Wenn ich bisher einige Kilogramm verloren hatte, hier nehme ich etliche zu – kann man sich gewöhnen daran …
Die Motorradtour in den Süden ist mit einer Gruppe von Bikern, die alle ihre Wurzeln in San Juan haben, aber über Argentinien und Brasilien verstreut leben. Nach einer Woche Nichtstun machen Nito und ich uns auf den Weg nach Villa Angostura, dem ersten Treffpunkt. Einige andere werden in Osorno, Chile, dazukommen. 1.450 Kilometer über die Ruta 40 in den Süden, unterwegs treffen wir Alejandro, er begleitet uns bis zu unserem ersten Halt nach Malargüe, natürlich schlafen wir in seinem Ferienhaus, was sonst. Die Ruta 40 ist auf dieser Strecke sehr unterschiedlich ausgebaut: Hunderte Kilometer Schotterstraßen wechseln mit sehr gut asphaltierter Straße, aber: Auf der gesamten Stecke beeindruckende Landschaften.
Wir fahren auf Theo und seinen Freund auf, sie sind seit vier Monaten auf Tour vom Norden Südamerikas nach Ushuaia, mit den Schotterstraßen sind sie nicht so recht vertraut, kurzer Stopp zu einer Kaffeepause. Die beiden schicken in den nächsten Wochen tolle Fotos von der unglaublichen Landschaft im Torres del Paine, vom Fitz Roy und aus Ushuaia. Durch die forsche Anreise sind Nitos Reifen am Ende, wir bekommen bei Motoaventura in Osorno gute neue. Dort treffen wir auch den Rest der Gruppe. Beim Abendessen fragt Nito, warum ich vor Kurven bremse, aber dann doch mit gleicher Geschwindigkeit durch die Kurve fahre?! Kurz: Ich benutze auf den langen Geraden den Tempomat, zum Abschalten benutze ich den Bremshebel – das leuchtet ihm ein. Er wird später seinen Freunden von dem verrückten Austriaco erzählen, der mit „Full Speed“ auf den Geraden dahinrast, vor Kurven mit der Bremse die Cruise Control ausschaltet und ohne zu Verzögern, mit aberwitziger Geschwindigkeit die Kurven fährt: „Wenn Du da dran bleibst spritzt Dir da das Adrenalin raus!“ und schlägt mit den Fingern beider Hände an die Halsschlagadern, dabei versucht er den Gesichtsausdruck bei diesen Kurvenfahrten nachzumachen. Obwohl ich nur sehr rudimentär spanisch verstehe, bekomme ich das sehr wohl mit, er erzählt das in vielen Runden, auch über meine Reisen und was ich bisher so erlebt habe – macht mich natürlich auch ein wenig stolz …
Das Problem dabei: Ich versuche mich so gut wie möglich in den verschiedenen Gruppen zu „verstecken“, fahre mittendrin oder am Ende. Die anderen haben aber eine enorme Erwartungshaltung, wollen sich messen, auch gerne sehen und erleben wie man „affenartig Kurven fährt dass das Adrenalin rausspritzt“ – und so werde ich immer wieder aufgefordert doch vorne zu fahren. Meine Beteuerungen, dass „Reisen“ nichts mit „Rasen“ zu tun hat und ich eigentlich relativ gemütlich fahre, helfen nicht wirklich. Möchte Nito nicht enttäuschen und mache einen auf Rennfahrer … Selten so gerast wie in nächsten drei Wochen. Jedenfalls kann ich die Erwartungen meiner Freunde erfüllen, „High Speed und affenartige Kurven“ – weiß nicht, ob ihnen das Adrenalin bei den Halsschlagadern rausspritzt, aber sie haben eine tierische Freude. Ich bin oft das Hauptthema bei den gemeinsamen Abenden, dass ich mittlerweile über 600.000 Kilometer mit Motorrädern gefahren bin können sie kaum glauben. So werde ich anerkennend zum „Juror“ erkoren und soll am Ende der Tour eine Wertung der einzelnen Teilnehmer abgeben – Habe mir dabei den Unmut von vielen Menschen zugezogen! Man muss wissen Argentinier sind sehr stolz und selbstbewusst, aber: Das müssen Freundschaften aushalten.
Von Puerto Montt, über die Carretera Austral nach Chaitten, weiter nach Futaleufu. Drei Etappen mit Fähren, viele Naturstraßen, viel Regen. Ein Einwohner erzählt, dass es an 345 Tagen im Jahr regnet, weiß nicht ob es stimmt, während wir da waren hat es jeden Tag und zwar den ganzen Tag geregnet. An einer Brücke sehe ich meinen Vordermann schlingern und schwer stürzen – die Holzbrücke hat nur zwei Fahrstreifen für die Räder der Autos, dazwischen sind etliche Querstreben an denen die Räder abrutschen. Gemeinsam helfen wir das Bike wieder flott zu bekommen. Treffe an unterschiedlichen Orten Österreicher auf ihren Reisen durch den Süden von Chile und Argentinien. Nito hat das Angelzeug mitgenommen, Siete Lagos und die andern Orte sind geschaffen fürs Fischen – Mit Glück und Können fängt er insgesamt etliche Fische, meist Forellen, teilweise mit über 5 Kilogramm. Alejandros African Twin hat Probleme mit dem Hinterreifen: Ein Patschen, nach zwei erfolglosen Reparaturen gibt er auf und verlädt das Bike auf den Hilux. Die Tour ist eine echte Motorradtour und weniger eine Reise: Viel Motorradfahren, kaum Zeit für Fotos, geschweige denn für Orte, Menschen, … ich genieße die Zeit und das unbedarfte Vergnügen.
Großes Abschiedsfest in Villa Angostura mit dem Ergebnis der Reihung nach Kategorie „Dirt road“ und „Paved Road“. Das Ergebnis wird auf WhatsApp noch wochenlang kritisiert, Anpassungen und Änderungen gefordert – ich bleibe bei meiner Reihung. Einige fahren mit dem Bike in einem Tag 1.400 Kilometer in einem Stück nach Hause, andere verladen ihre Motorräder auf PickUps und ebenfalls in einem durch zurück. Mit Nito möchte ich noch einige Plätze im Süden Chiles und Argentiniens besuchen: Pucon, Paso Tromen, Paso Icalma, Villa Pehuenia, Paso Pina Hichado, Paso Pehuence, … außerdem brauche ich noch die acht Monate „Aufenthaltsgenehmigung“ für die BMW!!! Wir hatten bereits in Futaleufu versucht die temporäre Auftenthaltsgenehmigung für 270 Tage zu bekommen – nach langen Diskussionen am Zoll leider nicht bekommen.
Paso Tromen und Pucon sind wahre Leckerbissen, wir genießen die Fahrt, zwischendurch auch Cafeteria, Dolce, … Am Paso Icalma, Einreise nach Argentinien: Nito diskutiert mit der Dame bei der Migracion betreffend der acht Monate, meine bisherigen Reisen, dass ich erst im April 2018 zurückkomme und daher für das Motorrad eine längere First brauche, der Zoll bei seinen Genehmigungen für das Motorrad immer wieder auf die Dauer für der Person verweist, … die bleibt beharrlich, klärt ihn über die Rechte auf, Botschaften, Konsulate, Notwendigkeiten, … letztendlich kommt „3 Monate“ auf den Stempel im Reisepass. Gegenüber sitzt der Herr vom Zoll, er hat alles ruhig mitgehört. Ich gebe ihm die Dokumente, er schaut in seinen Computer und sagt ganz trocken: „Bei mir steht 270 Tage. Was die Migracion macht ist mir völlig egal!“ Ausdruck, Unterschrift, passt! Und jetzt will er sich mein Motorrad anschauen. Er besitzt auch eine BMW Baujahr 2012 und ist begeisterter Motorradfahrer – na geht doch! Und alles legal! Im Hotel in Villa Pehuenia war ich bereits vor einem Jahr, heute haben wir noch ein ganz besonderes Abendessen: Lamm vom Feinsten. Mit der Genehmigung in der Tasche planen wir um, kein weiterer Grenzübertritt sondern über auf argentinischer Seite zurück nach San Juan. Durch die zeitweiligen „schnellen Streckenabschnitte“ sind meine Reifen schon nach 6.000 Kilometer fast durch, die letzten 500 Kilometer fahre ich mit maximal 120 Stundenkilometern, die Schotterstraße umfahren wir um das Risiko eines Steinschadens zu minimieren. Bei unserer Ankunft in San Juan: Treffen mit den Freunden und … Asado!
Noch einige Tage bis zum Rückflug, ich besuche Martin (Österreicher in Argentinien – siehe auch frühere Berichte zB.: Nummer 1)in seinem neuen Haus in Uspallata – schöne Anfahrt über Villavicencio. Das Asado habe ich im Koffer mit, große Wiedersehensfreude bei Martin seiner Frau und den Kindern und gemeinsames Asado. Mit Nito und den Freunden treffen wir am Wochendende in seinem Ferienhaus in Barreal zusammen – Asado und Pollo al disco => ganz typisch argentinisch. Miguels Motorrad bleibt mitten auf der Strecke stehen, wir können keinen Fehler finden und verpacken die BMW auf den Hilux – nach zwei Wochen die Info von Miguel: Alle Ventile an den Zylindern sind stecken geblieben ?!
Die letzten Tage verbringe ich mit dem Verstauen meines Gepäcks und der BMW – leider kippt uns beim Abstellen der Mittelständer im weichen Untergrund, die BMW neigt sich zur Seite, der rechte Spiegel und das Windschild geben dem Widerstand nach, dh. sie brechen beide.
Wenn jemand das verreist oder wieder zurückkommt gibt es … Asado, What else! Die ganze Familie und viele Freunde sind zu meinem Abschied gekommen und wir feiern bis tief in die Nacht hinein. Anmerkung: Generell wird in Argentinien erst um 23:00 mit dem Abendessen begonnen …
Rückflug über Buenos Aires, alles planmäßig. Von meinen letzten Meilen gönne ich mir Businessclass. Eine Stunde vor Plan in Frankfurt, verkürze mir die Zeit in der Lufthansa Lounge, vor dem Abflug noch schnell auf die Toilette: „Hallo Oswald!!!“ – Perfekte Überraschung auf beiden Seiten!!! Wir hatten schon während meiner Reise immer wieder Kontakt über WhatsApp und vereinbart, dass wir uns nach meiner Rückkehr treffen würden – so rasch hatten wir es aber nicht gedacht. Er ist auch auf dem Weg nach Wien, im selben Flieger.
Sigrid holt mich ab: Mit Luftballon!!! und Funny. Endlich daheim …
Hallo lieber Toni !
Willkommen zurück in Wien
Habe deine Reise mit großer Begeisterung mit verfolgt
Muss sagen, habe sehr großen Respekt vor deiner Leistung, und deinem Mut solch eine Reise
alleine zu unternehmen.
Das ist Pioniergeist pur !
Vielleicht sehen wir uns mal in Wien, wenn du Zeit hast
liebe Grüße und frohe Festtage
Stefan
Lieber Toni
Welch unglaubliche Reise! Es macht immer wieder Spass deinen Blog zu verfolgen. Anders als in anderen Blogs, hast du sehr engen Kontakt zu den Einheimischen. Das macht das Lesen spannend und ich spüre wie auch du grossen Spass hast. Ich beneide dich.
Weiterhin gute Reise, bleib gesund und pass auf dich auf.
Liebe Grüsse
Bruno