In der großen Wüste
Das Matinabad Desert Camp liegt am Eingang zum Kavir Nationalpark, nette Hotelanlage mit Bungalows und Zelten und vielen Bussen. Ich hatte in den letzten Tagen bei der Kardanwelle Öl bemerkt, machte mich etwas nachdenklich. Trotzdem wollte ich über den Kavir Nationalpark und den Namak Lake, einen Salzsee, nach Kashan. Nach den ersten Kilometern mit Parkplätzen, Vergnügungsangeboten, … wird es eine wirklich schöne und interessante Wüstenfahrt, bis sie abrupt an einer Baustelle endet, Raupenfahrzeuge, Bagger, LKWs aber kein Weg?! Blickkontakt zu einem der Fahrer, der steigt aus seinem Caterpillar: „Da gibt es sechs Kilometer keine Straße bis zum Salzsee!“ Die bauen sie eben neu. Er unterbricht seine Arbeit, deutet mir an in sein Auto zu steigen, auf zum Baustellencamp. Dort gibt es erstmal Mittagessen, Tee, Cola. Danach fährt er mit mir durch unwegsames Gelände, von dem man am nächsten zum Salzsee und zur Straße nach Kashan ist. Sichtweite, etwa ein Kilometer, aber tiefer Sand, Dünen, kein Durchkommen. Er zeigt mir auf Google Earth sein Haus, etwas außerhalb von Kashan, zuerst nur Wüste, vergrößert die Karte bis man sein „Anwesen mit riesigem Garten, Swimmingpool, Haus sehen kann“ – ich bin eingeladen heute Abend bei ihm zu wohnen! An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass das ein tagtägliches Erlebnis ist, Einladung zum Mittagessen, Abendessen, schlafen, … Es ist unheimlich schwierig auszuschlagen und wird in der Regel mit einer großen Enttäuschung quittiert – auch hier.
Gemeinsames Foto, schweren Herzens Abschied, ich fahre zurück bis zum Camp und über die autobahnähnliche Straße nach Kashan. Halt an einer kleinen Werkstätte, Zeit um das Öl an der Kardanwelle zu checken. Einige junge Leute, frage nach dem Getriebeöl, haben sie nicht. Der Chef schickt einen der Männer los, ich bekomme in der Zwischenzeit Tee serviert. Nach zehn Minuten ist das feine SAE 90 Öl da, jetzt geht´s daran das Öl auszulassen und 180 Milliliter aufzufüllen. Das wird ohne weitere Verzögerung angegangen. Werkzeuge sind alle da, zum Auffüllen braucht es ein „Spezialwerkzeug von BMW“, das wird kurzerhand mit einigen Utensilien angefertigt, 200 Milliliter eingefüllt – sicher ist sicher. Nach zwei Stunden, einigen Kaffees aus der Bialetti sind sie fertig. Die Rechnung: Es kostet nichts! Ich dränge sie immer wieder, da ich weiß, dass es oft üblich ist etwas kostenlos anzubieten. Erst nach dem vierten Versuch kann man sicher sein, dass es ernst gemeint ist. Sie lehnen es nachdrücklich ab. Sie haben sich gefreut, dass ich da war und sie helfen konnten! Ich erkläre ihnen, dass ich zumindest für die Kaffeekassa etwas da lassen möchte – auch nicht! Drücke ihm etwa 13.- € in die Hand, er meint „das ist viel zu viel!“ Jetzt bedränge ich ihn und gewinne letztendlich. Wir konnten die undichte Stelle nicht wirklich lokalisieren, ich frage wo ich das machen lassen könnte, er meint er hätte schon eine BMW Werkstätte in Teheran angerufen, heute ist aber Feiertag und daher geschlossen, morgen sei offen und sie können mir sicher helfen! Bin wieder einmal über die ungefragte Hilfestellung überrascht. Fotos und herzlicher Abschied. Maps.me schlägt ein Hotel im Zentrum vor, mir gefällt es nicht sonderlich, ein Auto hatte mich schon die letzten Kilometer verfolgt, hält an, einge junge Leute steigen aus, kommen lachend herüber: Fotos, Wie gefällt es Dir im Iran? Wie sind die Leute? … Wo gibt es ein nettes Hotel: Nicht dieses! Sie schlagen mir ein anderes etwas außerhalb des Zentrums vor – ist wirklich gut! Am Abend: ein riesiges Straßenfest, Feuerwerk, Stau, Hupen, freundliche Leute in Feierstimmung! Mein Baggerfahrer schickt das gemeinsame Foto über WhatsApp und fragt nach, wo ich sei und ob ich nicht doch noch bei ihm vorbeikomme … Bis Teheran sind es einige Stunden, ich finde die Werkstätte – Autowerkstätte! Bin ziemlich durchnässt, sie sprechen sehr gut englisch, beschreibe mein Problem, frage ob sie mir helfen können. Der Werkstättenleiter sieht sich die Kardanwelle an und meint sein Mechaniker kommt in einer halben Stunde aus der Mittagspause, ich soll in der Zwischenzeit Platz nehmen und Kaffee trinken. Die Firma ist in einem Topzustand, kaum etwas besseres in unseren Ländern gesehen. Der Kaffee ist von sehr guter Qualität, Wifi Verbindung, … nachdem der Mechaniker kommt wird ohne Umschweife mein Bike in die Werkstätte geschoben und mit der Arbeit begonnen. Hinterrad und Endgetriebe werden ausgebaut. Leider ist überall viel Öl und wir können nicht erkennen, ob die Undichtheit vom Endgetriebe oder aus dem Getriebe kommt. Sie haben auch keine Ersatzteile. Letztendlich kommen wir zum Schluss, dass es nicht sofort repariert werden muss und mit regelmäßigem Ölnachfüllen sicher noch weiter betrieben werden kann. Lediglich eine Wäsche wäre doch ganz gut, wird auch gleich erledigt. Jetzt gibt es noch Tee und einen kleinen Snack im Aufenthaltsraum. Die Rechnung: Es kostet nichts! Egal was ich mache, sie lassen sich nichts bezahlen: „Wir freuen uns, dass Du da warst!“ Fotos, herzliche Umarmungen und beste Wünsche für meine Reise.
In der Darsht-e Lut hatte ich das Schweiz-österreichische Pärchen Ulli und Thomas kennengelernt. Sie wohnen in der Schweizer Botschaft und hatten mich eingeladen bei ihnen zu wohnen, wenn ich nach Teheran komme. Das nehme ich sehr gerne an! Treffe die beiden vor der Botschaft und so wohne ich sehr nobel in der Botschaftsresidenz! Die beiden sind schon sehr viel in der Welt herzumgekommen, kennen sich sehr gut in Teheran aus. Ich genieße die Zeit mit den Beiden, lerne die Einstellung der Iraner, ihre Großzügigkeit, Interesse Fremden gegenüber, den Garten in der Botschaft, sehr gute Restaurants kennen. Mein Visum läuft in den nächsten Tagen aus. Schweren Herzens verlasse ich Teheran in Richtung Täbris – vielen Dank an Ulli und Thomas, hoffe wir sehen uns irgendwo auf der Welt wieder!!!
Über die Berge zum Kaspischen Meer, vorbei an den Schigebieten in der Nähe von Teheran. Es liegt entlang der Straße noch viel Schnee, am Pass hat es -7 Grad. Kurzer Halt bei der Abfahrt, Fotos. Wieder hält ein Auto, Fotos mit der ganzen Familie und: Einladung zum Tee. Die Landschaft ändert sich, wird fast subtropisch, Teeplantagen, Reisfelder, Weingärten. Bei der Stadteinfahrt nach Tschalus eine riesige Werbetafel für Matratzen, mir sticht das TÜV Austria Logo ins Auge. Ich habe dreißig Jahre für den TÜV Austria gearbeitet und freue mich hier auf den TÜV zu stoßen! Am Strand das Übliche: Viele Kinder mit ihren Eltern, Fotos, jeder darf auf´s Motorrad. Halt in einem Strandcafe, Tee, Torte … und: Fotos, Rechnung: Kostet nichts! Sie freuen sich, dass ich da war!
Über die Berge Richtung Täbris. Wähle die direkte Route, etwas ausgesetzt, aber wunderschöne Landschaft. Komme immer höher in die Berge, der Schnee kommt immer näher bis ich an einem Bagger anstoße, hier ist Schluss! Der Baggerfahrer erklärt mir, dass meterhoch Schnee liegt und der Pass unbefahrbar. Ich bedauere nicht es versucht zu haben, muss aber die hundert Kilometer zurück ans Kaspische Meer und über die Hauptroute nach Täbris. Bleibe zwei Tage in der Hauptstadt von Kurdistan und DEM Teppichzentrum! Treffe Heinz mit seiner Frau Karin, die beiden sind mit einem Fahrer auf Rundreise durch den Iran. Beide passionierte Tourengeher, ich erfahre viel über ihre Bekanntschaft mit Peter Habeler und andere Bergsteiger. Es ist auch die Woche in der David Lama in Kanada zu Tode gekommen ist. Einige gemeinsame Ziele, zum Beispiel Huaraz und der Alpamayo – der mehrfach zum schönsten Berg der Welt gewählte Gipfel in den Cordillera Blanca in Peru, oder der Chimborazo in Ecuador – Heinz hat beide als Bergsteiger bestiegen, ich war zumindest mit dem Motorrad am Fuße der beiden.
Unweit von Täbris ist der Ort Kandovan, berühmt für seine Felswohnungen – sehr ähnlich zu Göreme, nur dass diese Felsen noch wirklich bewohnt sind. Treffe eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus der Türkei, mit dabei ein Extrembergsteiger, der bereits sieben Achttausender bestiegen hat. Auch Mark aus Deutschland ist mit seiner Transalp auf seiner Tour durch den Iran. Er wollte vor einer Woche über Bazargan einreisen, dort hatte man ihn abgewiesen: „Motorräder über 250 Kubikzentimeter sind nicht erlaubt im Iran!“, beim Versuch über Van, über den ich eingereist war, hatte er mehr Glück. Offensichtlich wird die Bestimmung aus dem Jahr 2005 mit der Hubraumbegrenzung nun umgesetzt!? Von Täbris nach Jolfa, Kloster Heiliger Stephanus, ein altes apostolisch-armenisches Kloster aus dem 9. Jahrhundert. Entlang der aserbaidschanischen Grenze zum Grenzübergang bei Agarak nach Armenien.
Hallo lieber Toni !
Danke für die tollen Bilder und Berichte
Mann merkt du hast jetzt Zeit diese aufzuarbeiten und zu verfassen. Gute weiterreise und viel Glück
Gegen deine Erlebnisse ist unsere Reise ja ein Kindergeburtstag. Aber wir genießen sie und wissen das Privileg
reisen zu dürfen sehr zu schätzten.
Liebe Grüße und weiter gute Fahrt
Michi und Stefan
Lieber Stefan, freue mich von Dir zu lesen und genieße Eure Fotos und Berichte auf „Time2ride.at“ – Maße mir an Eure Tour als „beeindruckend und sehr gelungen“ zu bezeichnen, freue mich über jeden neuen Beitrag.
Mein Bike steht jetzt mal 2 Wochen in Atyrau, ich mit Sigrid eine Woche als „Kurschatten“ in Bad Radkersburg: Neues Vorderrad ist schon im Gepäck, Visa Mongolei hole ich am Montag. 4.6. geht der Flieger zurück nach Kasachstan.
Herzliche Grüße, Toni