Nordossetien-Alanien, Tschetschenien, Dagestan
Von Stepantsminda sind es nur einige Kilometer bis zur russischen Grenze. Die Ausreise aus Georgien ist unkompliziert und schnell. Die russische Seite stellt sich dann doch anders dar. War oft in Russland und habe das Land immer sehr positiv und geordnet kennengelernt. Die Migration ist problemlos, danach zum Zoll – Einreiseformalitäten für das Motorrad. Als erstes wird mir der Führerschein abgenommen, ich soll jetzt das Zollprozedere durchlaufen, dann bekomme ich ihn wieder zurück. Der Zöllner kennt sich bei Fußball aus, Rapid Wien kommt bei ihm wie aus der Pistole geschossen, auch Alaba. Anstellen beim Zollhäuschen, ein armenischer Autofahrer vor mir, bin der nächste an der Reihe. Es dauert etwas, da er mit einem Kollegen noch etwas bespricht, also etwas länger. Das Zollhäuschen ist aus verspiegeltem Glas, die Öffnung von außen etwas 30 x10 Zentimeter und auf einer Höhe von 70 Zentimetern. Man muss sich tief herunterbeugen, oder vor dem Schalter knieen – einfach schon eine demütige Haltung einnehmen. Der Zöllner prüft meine Unterlagen, kommt aus dem Häuschen, drückt mir einige Formulare in die Hand, geht nach hinten in das Hauptgebäude: „da gibt´s eine Ausfüllanleitung in englisch“. Die ersten beiden Formulare sind kein Problem, die sind in englisch, da braucht´s keine Ausfüllhilfe. Das Dritte ist nur in Russisch, dafür gibt es auch keine Ausfüllhilfe, nicht einmal ein Foto. Einige Russen kommen durch: „Do you speak english?“, „So, so!“ in ein paar Minuten ist die Angelegenheit erledigt, raus zum Zollhäuschen, auf die Knie. Der Zöllner ist jetzt echt überrascht: „Du sprichst doch Russisch!“, „Nein!“, „Wieso konntest Du dann das Formular ausfüllen?“ ?!?! Er „hämmert“ im Zweifingersystem die Daten in den Computer, eine zeitaufwändige Angelegenheit. Letztendlich erhalte ich meinen Reisepass und ein Zolldokument für die BMW, welches ein Jahr in den Vertragsländern rund um Russland (Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien, …) gilt. Noch einige Grenzposten und ich bin in Russland, besser gesagt in Nordossetien-Alanien, eine russische Teilrepublik.
Nach einigen Kilometern eine Polizeikontrolle, komme ohne weiters durch. Einige Kilometer weiter die Nächste, dieses Mal werde ich angehalten. Reisepass, Zulassungsschein, Führerschein, alles ok. Werde aufgefordert zum Polizeiauto zu gehen, mein Führerschein verschwindet im Handschuhfach. Alkotest: Vortest: Rot! Ich bin betrunken! Muss dazu sagen, dass ich Alkohol nicht vertrage und daher keinen trinke. Das sage ich auch dem Polizisten, der meint: Gestern! Auch nicht und die Wochen zuvor ebenfalls nicht. Zweiter Test, mit Messwert: Ich bin sturzbetrunken! Hmm! Diskutiere, erkläre, .. aber: Er bleibt dabei! Der Polizist ruft einen Mann an, der englisch spricht, der erklärt mir, was ich ohnehin schon verstanden habe. Ich erkläre ihm meine Situation – keine Lösung. Nach einer halben Stunde meint der Polizist er wolle mir helfen und ich soll auf einem Zettel vor ihm eine Zahl aufschreiben. Verstehe! Habe noch keine Rubel, schreibe 20.- $ drauf. Er ist entrüstet, nimmt mir den Kugelschreiber aus der Hand und schreibt 500.-$. Jetzt wird es doch etwas prekär. Erkläre mit vielen Worten meine Situation, wir einigen uns letztendlich auf einen Bruchteil, aber noch immer viel Geld. Hole das Geld aus dem Koffer, zurück zum Polizeiwagen, der öffnet das Handschuhfach, lege das Geld hinein, er gibt mir den Führerschein und ich fahre „sturzbetrunken“ weiter! Bin ziemlich „angfressn“! Wladikawkas lasse ich aus diesem Grund links liegen und fahre gleich weiter bis Grosny. Grosny wurde im zweiten Tschetschenienkrieg dem Erdboden gleichgemacht. Die Stadt ist vollkommen neu aufgebaut. Überall starke Polizei- und Militärpräsenz, aber gleich vorweg: Ich komme sicher und ohne Korruption durch Tschetschenien! Es gibt sogar Fotos mit Polizisten, einer schickt mir das gemeinsame Foto über Instagram! Spaziergang durch die Stadt, die Skyline, die Moschee, alles neue moderne Gebäude. Das Bild des Präsidenten wird überdimensional auf der Leuchtwand der Hochhäuser projiziert. Hatte ich nicht bedacht, es ist Ramadan, Essen ist ein Problem. Die Restaurants sind spätabends ausgebucht, tagsüber gibt es nichts. Finde in einem Schnellimbiss einen Salat mit Burger. Mein Hotel ist direkt im Zentrum, die BMW parkt am Boulevard. Rund um die Uhr sind schwer bewaffnete Polizisten an der Kreuzung, kontrollieren ständig die Fahrzeuge. Kann vom Hotelfenster auf den Parkplatz sehen, habe nie ein unangenehmes Gefühl, fühle mich eigentlich sehr sicher. Über Beslan und die Berge in Richtung Dagestan, Ziel ist Astrachan am Wolgadelta zum Kaspischen Meer. Das iPhone lädt nicht auf, das Kabel ist nicht Original und der Ladevorgang wird daher vom iPhone unterbrochen – sehr lästig. Halte an und versuche mein zweites iPhone, lädt auch nicht. In dem Durcheinander lasse ich das Mobiltelefon irgendwo am Motorrad liegen und fahre weiter – so „erde“ ich eines meiner Mobiltelefone, und Navigationsgerät, in den Weiten von Tschetschenien. Passiere die Grenze zu Dagestan, ist zwar Russland, aber ebenfalls ein Teilrepublik, Polizeikontrolle.
Die Landschaft wird typisch für diese Region, weite Ebene, Wüste. Werde wieder einmal von einer entgegenkommenden Polizeistreife angehalten, der Polizist spielt mir auf seiner Kamera einen meiner Überholvorgänge vor: Überhole bei einer Leitlinie, leider wird diese am Ende meines Überholvorganges zur Sperrlinie, konnte ich wirklich nicht erahnen, oder irgendetwas dagegen unternehmen – kostet mich wieder etliche Dollar, die der Polizist in die Tasche steckt. Weiter in Richtung Astrachan, überquere die Grenze zu „Russland, Oblast Kalmükien. Die gut ausgebaute Straße wird die nächsten hundert Kilometer zu einer unangenehmen Naturstraße, tiefer Sand, riesige Löcher. Astrachan ist eine sehr nette Stadt, bleibe zwei Tage, erlebe die Hilfsbereitschaft der Russen, ohne viel zu reden wird einfach versucht ein Problem zu lösen, einige nehmen weite Wege in Kauf mit mir zu Werkstätten zu fahren, in einer Werkstätte bekomme ich einen, zugegebenermaßen gebrauchten, Vorderreifen einfach geschenkt – komplett selbstlos und ohne Gegenleistung.
So kenne ich Russland eigentlich, die Kaukasusrepubliken sind meiner Meinung sehr eigenständig und haben ein äußerst korruptes System. Ausnahme ist Tschetschenien, das aber mit einem rigorosen Polizeiapparat.
Das Wolgadelta um Astrachan ist ein riesiges, ebenes Sumpfgebiet, unzählige kleine Gewässer auf dem Weg nach Kasachstan, mitten drin eine Pontonbrücke.
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