Vom Arbol de Piedra geht es weiter Richtung Norden, zur Ruta 701, der Verbindung von Uyuni – Ollagüe. Bis zur Ruta 701 sind es noch 100 Kilometer. Der Weg wird breiter und tiefer – tiefer Sand, Wüste. Die Spuren im Sand sind jetzt schon auf einer Breite von mehreren Kilometern. Zu allem Überfluss … 4.000 Meter! Jetzt steigt auch noch das GPS aus, das ist in einem der ungünstigsten Momente. Ich versuche anhand der Karte auf dem Navi den ungefähren Weg zu erahnen. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob die Route auch nur annähernd richtig war. Jedenfalls ist an ein zügiges Fahren nicht zu denken, ich muss ständig mit den Beinen „mitzappeln“. Eine Steigung, viel Sand, mit so viel Schwung wie möglich nach oben, irgendwann ist Schluss und ich stürze wieder, mitten in der Steigung. Koffer abmontieren, Kanister … ist schon leer, habe ich im Hostal bei der Laguna Colorada in den Tank gefüllt. Trotzdem muss er runter, ist ja schließlich am Top Case befestigt. Motorrad aufstellen, Koffer montieren. Start! Und? Die Räder graben sich in den tiefen Sand… Absteigen, überlegen.
- Ich komme mit den Koffern den Berg nie hoch.
- Ich möchte den Weg in keinem Fall zurück fahren (müssen) => Wenn man glaubt es kann nicht schlimmer kommen …
- Gewicht leichter machen => Koffer nach oben tragen, dann neuer Versuch.
Entscheidung für die dritte Variante: Ich komme den Berg hoch!!!
Also: Koffer zuerst nach oben tragen, damit wird die Entschlussfreudigkeit gefördert. Egal was kommt … No step back … Koffer vom Motorrad runter und den Berg rauf. Ich bin auf über 4.000 Meter Seehöhe, die Koffer haben zusammen ein Gewicht von 70 Kilogramm, drei Mal rauf und runter, jeweils ein Kilometer. Die Luft wird unangenehm knapp, ich keuche wie ein Asthmakranker. Der Reifen ist wirklich ungeeignet für den tiefen Sand, keine Rillen, Verhalten wie auf Glatteis. Start und mit viel Gefühl, Einsatz und Entschlossenheit nach oben … Ich schaffe das für mich eigentlich Unmögliche.
Bin völlig fertig, durchgeschwitzt, ringe nach Luft. Koffer montieren, Kanister. Es geht eben weiter bis zu einer Lagune, dort ein Abzweiger. Ich sehe wie die eine Straße am Horizont im Berg verschwindet, die andere macht eine Kurve nach links. Ich versuche anhand des Navi-Bildes den weiteren Weg zu erahnen ??? Interpretiere es geht nach links weiter, in Richtung zu drei Lagunen. Tiefer Sand weiterhin, bis zu einem Abwärtsstück, es sieht aus wie ein Flussbett und … ab da wird es noch tiefer mit dem Sand. Es ist unheimlich anstrengend die nächsten zehn Kilometer in dem abwärts führenden Weg zu bewältigen: Anstrengend, wenig Luft, mit den Reifen kein Halt. Am unteren Ende sehe ich eine Lagune, weiß nicht genau welche, hoffe es ist schon die zweite … ist es nicht, es ist die erste. Noch drei vor mir. Der Weg wird nun wieder eben und etwas besser, die zweite Lagune und … das GPS kommt wieder! Hier sind viele Flamingos und auch die ersten 4×4 Autos stehen mit den Gästen, gut wieder Leute zu sehen, denke ich bin ziemlich weit vom Idealweg abgekommen. Die Fotos mit den Flamingos gelingen ganz gut. Weiter zur dritten Lagune, ein Klacks. Mein Navi zeigt mir den Weg weiter an und … ich vertraue darauf. Hinterher weiß ich, dass es der falsche Weg war und ich über eine ziemlich ausgewaschene Strecke, über Stock und Stein letztendlich in die Ruta 701 nach Uyuni einbiege – Foto mit Selbstauslöser, völlig fertig. Auf der Ruta 5 zurück nach Uyuni, das sind noch einmal 150 Kilometer auf Schotterstraße, es geht aber völlig easy mit bis zu 120 Stundenkilometer dahin. Vorbei am Eisenbahnfriedhof, den lasse ich links liegen, Halt bei der Tankstelle am Ortsanfang, volltanken! Wieder zum Hotel Palace, auch dieses Mal haben sie noch ein Zimmer frei. Duschen, Abendessen im Restaurant mit Heizung, ins Bett. Ich kann mich heute nicht mehr erinnern was mir damals alles durch den Kopf gegangen ist, jedenfalls waren diese beiden Tage ein einschneidendes Erlebnis in einem Leben.
Die Zeit geht dem Ende zu, mein Flug nach Sao Paulo ist in drei Tagen. Ich plane den Weg nach Tarija, dort möchte ich das Motorrad für die nächsten sechs Monate bei Frederic abstellen. Hatte bei meinem ersten Besuch mit ihm die Möglichkeit besprochen und er hat mir ohne Umschweife zugesagt. Es gibt zwei Routen von Uyuni nach Tarija, ich wähle die kürzere. Beim Gespräch mit dem Hostaleigentümer zeige ich ihm die Route. Der erklärt mir, dass diese Strecke eine reine Schotterpiste sei und die andere Variante über Potosí zwar um etliches länger, aber dafür asphaltiert und wesentlich schneller sei und: Er hat vollkommen recht! Schlafen, packen, los! Die Strecke findet mein Navi nicht. Da fehlen 100 Meter in der Karte und dadurch leitet es mich immer in die falsche Richtung. Hinter der Tankstelle ist die Ausfahrt in Richtung Potosí, na geht doch. Super Asphalt, es geht zügig dahin, gegen Mittag bin ich in Potosí. Schon von weitem kann man die Kulisse der Stadt erkennen, etliche Fotos vom Tower, Berg, … tanken im Zentrum. Gleich danach: Die Stadtdurchfahrt ist abgesperrt … Demonstration! Ich stelle mein Bike neben der roten Absperrung ab und kaufe mir vorerst ein Hendl bei der Braterin auf der Straße. Niemand passiert die Absperrung. Ich suche eine Umfahrung, finde einen Weg über Seitenstraßen. Geht auch ganz gut. Leider komme ich durch etwas ungute Gegenden, Hunde fallen mich von allen Seiten an, die Leute auf der Straße sehen eher nicht vertrauensselig aus, und: Die Straßen sind teilweise unheimlich steil, enge Kurven. Potosí liegt im oberen Teil auf über 4.200 Meter, richtig: Das Navi steigt aus, Orientierungssinn ist gefragt. Es dauert bis ich an der Ausfahrtsstraße ankomme, aggressive Hunde begleiten mich. Vorbei am Monte Cerro in Richtung Tarija. Fast versäume ich die Abzweigung und fahre Richtung Tupiza statt Tarija. Merke es zum Glück, umkehren und in die richtige Richtung. Ich komme rasch voran. Die Strecke liegt in einer wunderschönen Landschaft. Der Ort Camargue kommt mir irgendwie nett vor, ich halte bei einem KFZ Shop, Kunststoffreiniger, Lackpolitur, WD40,… Lavado? Mein Motorrad ist von den Fahrten über die Salzseen noch vollkommen mit Salz verdreckt, das muss ab, sonst kommt der Rost. Der Shopbesitzer weiß Abhilfe: Gleich einige hundert Meter davor, bin daran vorbei gefahren. Zurück über den Ort, sieht auch nett angelegt aus. Die Motorradwäsche erledigt der kleine Sohn, etwa 12 Jahre alt, seine kleinere Schwester schaut interessiert zu.
Die letzte Bergkette vor Tarija, jetzt bin ich auch auf der richtigen Straße, die ich schon beim ersten Mal hätte nehmen sollen. Bei der Anfahrt ein einmaliges Schauspiel, die Wolken hängen über die Bergkette und lösen sich danach auf – Fotozeit. Weiter durch den Tunnel und über eine endlose Serpentinenstraße bis ins Tal, San Lorenzo links, Tarija rechts.
Im La Pasarela werde ich wie ein guter Freund empfangen, die ganze Familie freut sich, dass ich wieder da bin. Es gibt das unvergleichliche Filet Mignon, Erzählungen, Fotos schauen bis zum Schlafengehen.
Kurzer Überblick:
- Die Reifen sind völlig durch, muss mir unbedingt neue besorgen.
- Ich bin bei der Konzernleitungssitzung in Sao Paulo und habe hier mein Motorradgewand, eine völlig ausgewaschen Hose, Funktionsleiberln, Turnschuhe, … muss mich neu einkleiden.
- Motorrad winterfest machen.
Frühstück mit der Familie, Lagebesprechung.
Lieber Toni, was du erlebt hast ist einfach nur einmalig und fesselnd. Das spornt an selber das Abenteuer zu suchen. Danke dass du uns teilhaben lässt!