Bolivien – Gastfreundschaft und Bürokratie

März 2022

Die Straße nach Cochabamba geht auf über 4.000 Meter, ist trotzdem über lange Strecken als Autobahn ausgebaut.

Kleiner Sidestep zur Reise:
Normalerweise vermeide ich Erzählungen über Hotels.
Ausnahme: Wenn es sich um besondere Menschen, oder um besondere Vorkommnisse handelt.
Die Hotels in Cochabamba sind gut gebucht, finde gerade noch ein halbwegs brauchbares und buche gleich online. Nach einigen Minuten: Ich soll den Reisepass und das Carnet vorab senden. Mache ich dann auch, auf der Straße, etwas umständlich.

  • Die Einfahrt nach Cochabamba ist ähnlich wie El Alto: Buntes Markttreiben. Es dauert seine Zeit, Geduld ist gefragt.
  • Im Hotel: Das von mir gebuchte Zimmer gibt es leider nicht, das freie Zimmer kostet mehr.

Erster Anstieg des Blutdruckes.
Weiter: Reisepass und Carnet!? Habe ich doch mit Email geschickt! Meine Unterlagen sind irgendwo in den Koffern am Motorrad, der Rezeptionist versteht die Welt nicht. Blutdruck steigt weiter. Jetzt kommen andere Gäste, der Rezeptionist wendet sich ab. Jetzt erkläre ich ihm die Rechte, bis er sie versteht. Ohne weiteres gibt er mir die Zimmerschlüssel. Ich verlange den Eigentümer zu sprechen. Der ist nicht da, ich könnte mit ihm telefonieren, das will ich wieder nicht. Später am Abend möchte ich das Motorrad auf dem Hotel-Parkplatz abstellen. Der ist nicht im Haus, sondern einige Blocks weiter. Ich bekomme auch zu verstehen, dass der Parkplatz nur bis 8:00 früh benützt werden kann. Im Hotel ist die Tochter des Besitzers gekommen. Sie fragt, welche Probleme ich habe. Erkläre ihr den Ablauf, sie versucht sich in Erklärungen. Sie spricht sehr gutes Englisch, ich frage woher sie das so gut kann: Hat in der Schweiz Touristik studiert, Spezialfach „Gastfreundschaft“ – lache ihr voll ins Gesicht, sie schmunzelt verlegen. Am nächsten Morgen hole ich vor 8:00 Uhr das Motorrad vom Parkplatz. Die Frage: Wo ist der Voucher vom Hotel?! Möchte mir den Weg zurück sparen, zahle die 7,- Bolivianos (90 Cent). Um 9:00 Uhr ruft die Tochter des Besitzers auf meinem Zimmer an, dass die Zeit für den Parkplatz abläuft – special service?! Ich bin froh, als ich aus Cochabamba wegkomme.

Über die nördliche Straße in Richtung Santa Cruz. Gerhard kommt nach Santa Cruz, ich habe seinen Vater vor vielen Jahren in Corumba, Brasilien kennengelernt. Über meine Website ist sein Sohn, der in Bolivien geboren wurde, aber mittlerweile in Österreich wohnt, auf mich aufmerksam geworden und wir haben uns einige Male in Wien getroffen, jetzt kommt er für mehrere Monate nach Bolivien. Wir wollen uns in Santa Cruz de la Sierra treffen. Sehr netter Nachmittag mit Gerhard im Restaurant El Ariero, da gibt es tolle Steaks – eine der Besten in Bolivien, wie ich denke. Über Samaipata in Richtung Sucre, kurzer Halt beim Greissler in Samaipata – Von hinten: „Hello, it’s you Anton?!“ Oda, vom Casa Telegrafista in La Higuera, ist mit ihrem Sohn nach Samaipata gekommen. Große Freude und Überraschung sie mehrere hundert Kilometer von ihrem Haus zu treffen. Ich beschließe den Umweg über La Higuera zu nehmen und wieder Halt im Casa del Telegrafista zu machen – Juan hält dort die Stellung. Auch Juan sieht man die Freude an als ich mein Motorrad vor seinem Haus abstelle. Bei mir hält sich die Freude in Grenzen: Das Top Case hängt verdächtig lose auf dem Träger rum. Der Träger ist abgerissen! Schweißen bei Juan am nächsten Tag. Niro mit normalen Elektroden – nicht so ganz gut, aber es hält vorerst. Von La Higuera nach Sucre. Treffe in Tarabuco auf einen jungen Motorradfahrer. Er versucht erfolglos sein Hinterrad aufzupumpen. Biete ihm meinen Kompressor an. Er ist zwar etwas skeptisch, weil es doch seine Zeit dauert bis die kleine Pumpe Druck aufbaut, aber letztendlich ist er glücklich und kann seine Fahrt fortsetzen.

Im Hostal in Sucre hilft man mir bei der Suche nach einem guten Schweißbetrieb – der Träger wird professionell verschweißt und zusätzlich versteift. Sehr nette Cafeteria im Temple de San Francisco, ein Teil der Kirche wurde zum Kaffeehaus umfunktioniert. Parke mit vielen anderen etwas abseits des Temple. Als ich zurückkomme: Mein Motorrad wurde mit einer Klammer am Hinterrad festgesetzt. Sehe die „Täter“ an anderen Autos arbeiten. Sie erklären mir, dass hier Halteverbot ist?! Einen Block weiter darf man parken, ich sehe keinen Unterschied bei den Tafeln, aufregen = sinnlos. Weiß nicht wie der Ablauf ist, ein Mann gegenüber hilft mir ohne dass ich viel fragen muss weiter: Einzahlen bei der Bank gleich gegenüber, dann den Einzahlungsbeleg der Polizei zeigen und die Klammer wird entfernt. Er ruft dann auch noch die Polizei an und wartet noch solange bis sie da sind. Ein zweiter Mann kommt dazu. Als die Polizei eintrifft beschimpfen beide die Polzisten: Das man Fremde so behandelt ist eine unglaubliche Frechheit und vieles mehr …

Die Straße nach Oruro kenne ich noch nicht, gefällt mir aber sehr gut. Kurzer Stopp entlang der wunderschönen Bergstraße, Fotos, WhatsApp mit Sigrid und Marlene. In Bolivien ist der Ausbau des Internets wirklich bemerkenswert. Selbst in abgelegenen Gegenden gibt es Empfang. Während wir telefonieren kommt eine ältere Frau, Quechua oder Aymara?, über die steilabfallende seitliche Straßenböschung, spricht mich an – Gemeinsam telefonieren wir über das WhatsApp, woher ich komme, wie mir die Gegend gefällt, … ehe sie sich verabschiedet und weiter geht. Vorbei an Minenstädten bis Oruro. Oruro gefällt mir weit weniger, war schon einige Male dort und auf der Suche nach irgendeinem Charme der Stadt erfolglos wieder abgefahren. Wenigstens ist dieses Mal das Hotel sehr nett. Auch das Gegrillte vom Holzgrill in der Churrascaria schmeckt ganz gut.

Die Straße von Oruro nach Pisiga an der chilenischen Grenze kenne ich auch noch nicht, ist aber voll ausgebaut, komme gut voran und fahre weiter nach Norden, Halt in Sajama, am Fuße des gleichnamigen und höchsten Berges Boliviens, an der Grenze zu Chile. Die Termas im Fuße des Vulkans hätte ich mir sparen können, aber auch für diese Gewissheit muss man sie erst gesehen haben. Sajama liegt an der Straße von La Paz nach Arica, Grenze mit Chile am Lago Chungara. Der LKW Stau vor der Grenze ist nicht vorstellbar – sogar auf Google Maps kann man die LKWs über viele Kilometer deutlich sehen. Rede mit einigen Fahrern. Sie brauchen fünf Tage um die Grenze zu passieren, im Normalfall! Chile und Bolivien liegen sich wegen des Zugangs zu Meer seit Generationen in den Haaren. Hier zeigen sich sehr deutlich die Probleme der einzelnen Länder Südamerikas untereinander und die Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Von Oruro nach La Paz gehen drei Strecken:

  • Die Autobahn (siehe Geschwindigkeitsüberschreitung und korrupter Polizist im Beitrag vorher)
  • Die Strecke über die Berge – etwas ausgesetzt, hatte ich vor einigen Jahren erfolgreich gemeistert (im wahrsten Sinne des Worte)
  • Über die Selva. Den südlichen Teil über Independencia musste ich vor Jahren wegen einer Flussquerung abbrechen. Der Fluss war ziemlich tief, daher auch keine LKWs, die auf der Strecke unterwegs waren und die ich um Mitfahrt bei der Überquerung ersuchen konnte. Ab Quime sollte es dann aber über Chulumani bis Coroico gehen.

Von Kiteni nach Quime. Über die Berge schlägt das Wetter um und es regnet zeitweise heftig. Da die Straße durch den Regenwald führt und eine Erdweg ist beschließe ich kurzerhand die Fahrt in die Trockenzeit zu verlegen und umzukehren. Über Oruro nach Uyuni, am Salar ist mittlerweile die Wasserhöhe stark zurückgegangen. Mit dem Motorrad darüber zu fahren ist derzeit aber wegen des Salzwassers noch nicht möglich. An der Tankstelle bei der Zufahrt zum Salar: Der Tankwart erkennt nicht sofort wieder und fragt wie die Reise bisher war!?

Möchte über die Grenze nach Argentinien, Bermejo wäre mir eigentlich am liebsten. Kurzer Abstecher nach Tarija, auf dem Weg dorthin mache ich den Umweg nach Villazon – der Grenze nach Argentinien. Erkundige mich nach den Öffnungszeiten, welche Unterlagen notwendig sind … klingt alles nicht sooo kompliziert. Die Polizei an der Grenze meint auch, dass alle Grenzen nach Argentinien offen sind?! Nehme die Straße über Salitre, Rejara, … nach Tarija, da hatte ich noch nicht die Gelegenheit dazu. Nette Strecke, bis über 4.000 Höhenmeter, ist durch etliche Bäche etwas in Mitleidenschaft genommen. Frederic fragt zur Sicherheit noch bei der Migracion in Tarija nach: Bermejo ist geschlossen! So viel zum Informationsstand an den Grenzen.

  • Antigen-Test,
  • Registrierung für Argentinien und
  • Auf zur Grenze in Villazon.
Tupiza

Auf der bolivianischen Seite sind nur wenige Leute bei der Migracion angestellt, es dauert trotzdem über eine Stunde bis ich zum Abfertigungsschalter komme. Dort werde ich aufgefordert in den Nebenraum zu kommen. Ein junger Polizist fragt wo ich in Bolivien war?!?! Letztendlich stellt sich heraus, dass in Bolivien seit einigen Monaten ein Gesetz in Kraft ist, dass alle Ausländer verpflichtet sich binnen 48 Stunden auf einer Internetseite anzumelden, und außerdem bei jedem Ortswechsel. Eine Verletzung dieser Vorschrift ist mit 235.- Bolivianos zu bestrafen. Hatte bereits alle Bolivianos in argentinische Pesos gewechselt, er nimmt auch 35.- Dollar. Wurde weder beim Grenzübertritt, noch bei irgendeinem Hotel auf diese Regelung hingewiesen. Auch Frederic weiß nichts davon, er betreibt ein Hotel und sollte eigentlich Bescheid wissen. Die 35.- Dollar sind wirklich nicht viel, aber wie mit Touristen in Bolivien umgegangen, wird finde ich bedenklich. Weiter zur nächsten Station. Normalerweise ist es der Zoll für die Abfertigung des Motorrades, nicht so in Zeiten wie diesen. Gesundheitsstelle auf argentinischen Seite. Die Grenze hat von 9:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Migracion und Zoll haben auch diese Öffnungszeiten, nicht so die Gesundheitsstelle: Zwei Stunden Mittagspause! Es wird die Registrierung, der Impfpass und das Zertifikat für den Antigen-Test abgefragt.
Danach: Migracion. Die erfolgt durch argentinische Beamte sowohl für die Ausreise aus Bolivien, als auch für die Einreise nach Argentinien. Die Warterei zu Beginn war nur wegen der „On-Line Meldung“ in Bolivien. Man hat vor vier Jahren zur Vereinfachung die Migracion der beiden Länder zusammengelegt, und jetzt eine neue Kontrolle erfunden. Nächster Halt: Zoll Motorrad für Bolivien. Temporäres Permit durch das Fenster, außer einer Warterei nicht mehr. Nächster Halt: Temporäres Permit für das Motorrad für Argentinien. Ich möchte das Bike in San Juan stehen lassen und über den Sommer nach Hause fahren, benötige daher die im Gesetz vorgesehenen 270 Tage. Lange Diskussion, der Zöllner stellt auf stur, maximal 90 Tage, wie für die Person. Ich kann ja nach Uruguay fahren, dort gibt es ein Jahr. Das macht mein Leben nicht gerade einfacher, meine Stimmung ist nicht besonders gut. Argentinien steht vor dem wirtschaftlichen Ruin, wenn es dann keine Touristen braucht und sie nach Uruguay schickt!?
Nach sechs Stunden bin ich endgültig in Argentinien gelandet. Es waren bestenfalls fünfzig Leute mit mir in dieser Zeit am Übergang. Habe diese Grenze bereits sehr oft passiert, das letzte Mal einige Tage bevor sie wegen der Pandemie geschlossen wurde, dauerte im Schnitt ein bis zwei Stunden.

Nach der Erfahrung an der Grenze von Chile, Bolivien und Argentinien bleibt ein sehr schaler Beigeschmack was die ausufernde Bürokratie betrifft, die sich während der Pandemie eingeschlichen hat.

2 Kommentare zu “Bolivien – Gastfreundschaft und Bürokratie

  1. Hallo lieber Toni ! Danke für die super interessante Schilderung irgendwie zieht es mich nicht nach Bolivien obwohl das Land doch super interessant wäre. Freue mich schon auf ein Treffen in Wien. Liebe Grüße und gute Reise Stefan und Michi

    • Anton Marschall

      Hola Michi & Stefan,
      Da bin auch ich sehr gespalten: Es ist ein etwas hartes Land, aber genau das macht auch viel von dem Reiz des Landes aus.
      Sucre, Uyuni, Santa Cruz de la Sierra, … sind über gute Straßen zu erreichen.
      Die bürokratischen Abläufe sind leider „südamerikaspezifisch“ und in allen Ländern ziemlich gleich.
      Freue mich auf Wien!
      Liebe Grüße
      Toni

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