Argentinien – Wenn es eng wird …

17. März 2022

Möchte meine Reise vom April bis September unterbrechen. Dazu benötige ich ein temporäreres Permit für das Motorrad für mindestens sechs Monate. Bei der Einreise nach Argentinien habe ich, trotz vieler Überzeugungsversuche und der gesetzlichen Möglichkeit von acht Monaten, nur drei Monate erhalten.
Gebe Nito in San Juan Bescheid, dass ich wahrscheinlich nur kurz in Argentinien bleibe und dann nach Uruguay weiter fahre. Am nächsten Tag die Info: Kein Problem, er hat bei der Aduana in San Juan nachgefragt, sie können 180 Tage genehmigen. Das wäre dann wieder o.k.
Möchte in La Quiaca eine SIM Karte kaufen, die Telekom Shops haben von 8:00 bis 12:00 geöffnet?! In Abra Pampa gibt’s die Claro SIM Karte für 25,- Cent – beim Fleischhauer! Hilft mir leider nicht wirklich, Ausländer müssen sich über das Internet registrieren, und das ist nicht gerade einfach. Nächtige in Humahuaca, auf der Suche nach einem Restaurant fällt mein Blick auf einen Internet Shop. Dort kaufe ich dann eine SIM Karte von Personal, wieder 25.- Cent und bekomme die Anmeldung gleich mitgeliefert –> Der Verkäufers meldet die Karte mit seinem Namen und seiner Nummer an. Guthaben kann er nicht verkaufen, das gibt’s nebenan, der Verkäufer sperrt gerade zu – Manana. Hole ich mir dann am nächsten Tag, für 2,50 € gibt’s 4 Giga Byte.

Kurztrip nach Iruya. Wird ganz toll beschrieben im Internet, sehr schöner Ort, super Gegend. Es mag schon alles zutreffen, aber meine Erfahrung bestätigt sich leider wieder: Viele Kommentare im Internet über besonders „schöne und sehenswerte Orte“ => kann ich in den meisten Fällen wenig abgewinnen. Schon am Ortseingang der Hinweis, dass man nicht in den Ort einfahren darf, der Parkplatz ist zahlungspflichtig. In Iruya: Beschreibe solche Orte immer als „Disney Land“. Außer Tourismus wenig.
Zwischenstopp / Nächtigung in Maimara mit Shoppingtour nach Purmamarca.  Zwischen Salinas Grande und San Antonio de los Cobres: Mate Pause. Ein Hilux hält und fragt, ob ich Hilfe brauche, alles o.k., Daumen nach oben. Fahre danach weiter und sehe am Straßenrand: Den Hilux, und jetzt braucht er Hilfe. Der linke hintere Reifen hat einen fünf Zentimeter lange Schnitt. Unterstütze ihn von der moralischen Seite.

Tanken in San Antonio de los Cobres, möchte über den Abra del Acay nach Cachi. Der Pass hat es in sich, bin ihn schon mehrere Male gefahren. Jedes Mal mit besonderen Umständen: Hundebiss, Schwierige Verhältnisse, … beim letzten Versuch war er wieder einmal gesperrt. Bei der Einfahrt zum Pass: Cerrado = Gesperrt. Nicht einmal ignorieren. Die Auffahrt zum Pass ist eine leichte Übung, die Straße ist weder steil, noch gibt s Flussquerungen, … dafür tolle Fotos auf dem Pass: 4.995 Meter.

Normalerweise ist die Strecke vom Abra del Acay bis Poma DAS Kriterium. Geht gut voran, mir kommt sogar ein Hilux entgegen, das macht Hoffnung. Die ersten Flussquerungen, grobe Steine, knietiefes Wasser. Die Landschaft ist jedes Mal beeindruckend, nehme mir Zeit. Das ist der Unterschied zu früheren Fahrten, da bin ich oft überwältigt von der Strecke und den Anforderungen ohne Rücksicht durchgefahren. Die ersten gröberen Schäden durch Überflutungen.

Eine Stelle zwingt mich zu einer Entscheidung: Steil, grobe Steine, und breiter Fluss => Runter geht’s – vielleicht?! Rauf sicher nicht mehr. Mut kann man nicht kaufen. Wundere mich noch, dass ich ohne Sturz durch komme. Kaum 500 Meter weiter kommen mir drei Motorradfahrer mit Enduros entgegen, na dann sollte es doch kein weiteres Problem mehr geben! Sie halten an. Skeptischer Blick auf die BMW mit den Reifen seitlich, die Koffer, … Ihr Resümee: Um die nächste Kurve komme ich sicher nicht?! Kann zwar erahnen was sie zu sagen versuchen und was sie andeuten, will es aber gar nicht wahr haben. Sie begleiten mich um die Kurve, jetzt gibt’s keine Unklarheiten mehr: Der Weg ist komplett vom Wasser weggespült. Über einen verbliebenen Streifen seitlich haben sie zu dritt ihre Motorräder drüber geschoben, gehoben, … und das sind kleine, leichte 250 ccm Enduros. Denke die drei wiegen zusammen so viel wie mein 350kg „Paket“. Wenn man von dem schmalen Streifen abrutscht, umfällt, … ist die Reise zu Ende. Kurze Überlegung … und wir beginnen die Reifen, Koffer, Tasche ab zu montieren und rüber zu tragen. Die Drei sind mir wirklich sehr behilflich und binnen kurzer Zeit sind diese Teile über der Engstelle. Wir zurren die Transportgurten am Motorrad fest, sie sollen beim Übersetzen als Halterungen dienen. Aber irgendwann kommt der Moment: Ein letzter Check wie es am Besten möglich erscheint. Die Drei positionieren sich an der abfallenden Kante, ABS und Schlupfkontrolle „aus“. Drahtseilakt – nur leicht anstreifen an der der Wand rechts, Abrutschen der Reifen verhindern, Anhalten, Umfallen verboten. Komme gut auf die andere Seite: „Give me five“; Schulterklopfen; freudige, entspannte  Gesichter bei allen.

Die Frage wie es weiter geht: „Etliche Flussquerungen, einige etwas pikant. Weiter unten soll der Fluss die Straße komplett weggespült haben, da man muss das Flussbett hochfahren, dann queren und wieder zurück auf den Weg – das ist dann die letzte Schlüsselstelle. Aber sonst ist es ganz einfach?!“
Wir verabschieden uns herzlich, bleiben in Kontakt.  … und wie angekündigt, so kommt es dann auch. Die Flussquerungen sind teilweise grenzwertig. Aber die Stelle mit dem Flussbett geht etwas viel über meine Grenzen. Kämpfe mich so gut es geht durch das Flussbett, ziemlich große Steine, geht eine Weile ganz gut, bis das Bike dann doch umfällt. Leider so, dass es noch dazu nach unten hängt. Das Aufstellen wird in der Höhe zum Kraftakt. Muss wieder das ganze Gepäck abmontieren, über das Flussbett tragen. Zum Aufheben gibt es für mich nur einige Versuche, dann bin ich für einige Zeit außer Gefecht. Auch ohne Gepäck eine Herausforderung. Allein bin ich einfach in solchen Situationen sehr limitiert, zu Dritt ist fast jede Stelle irgendwie bewältigbar, und sei es man trägt das Bike.

Bin etwas geschafft, als ich alles wieder verpackt habe und weiter in Richtung Poma fahre. Es war wirklich das letzte, fordernde Kriterium. Der Weg nach Poma ist anstrengend, aber ohne weitere Zwischenfälle. Ab Poma ist die Straße bis Cachi eine schöne Schotterstraße. Weil ich zu allem Überfluss krank werde: Schnupfen, Husten, Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Erbrechen, … und zu allem Übel: Zahnschmerzen, der 7er rechts oben! wird das Hotel A.C.A in Cachi für einige Tage meine Bleibe. Nachfrage im Hotel: Gibt es im Ort einen Zahnarzt? Gibt es nicht, aber im Spital eine Odontologie. In der Früh zum Spital, nach kurzem Warten werde ich in das Ordinationszimmer eingelassen, kurzer Blick in den Mund: Morgen ist die Zahnärztin im Haus.

Termin: 9:00. Schlafe den restlichen Tag aus. 9:00 vor der Odontologie. Muss etwas warten, dann Aufruf. Die Zahnärztin checkt den Zahn, meint es sei der 7er rechts oben. Spritze und nach einigen Minuten ist der Zahn aufgebohrt. Sie meint, er sei bereits wurzelbehandelt und müsse entfernt werden. Das ist aber hier im Spital nicht möglich, sondern in ihrer Ordination, in Salta. Und auch erst nach Abklingen der Entzündung in circa einer Woche. Frage ob der Schmerz damit weg sei?! Der Schmerz wird langsam zurückgehen. Bezahlung?! Ist im Spital kostenlos! Hatte bereits mit Nito in San Juan gesprochen, sein Zahnarzt meint, ich soll jedenfalls Antibiotika und Schmerztabletten nehmen. Die Schmerztabletten hatte ich bereits im Spital erhalten, das Antibiotika kaufe ich in der Apotheke in Cachi.
Meinen geplanten Besuch bei Martina und Johan in Seclantas sage ich schon aus den Gründen, dass ich die beiden in keinem Fall anstecken möchte, ab. Über Quebrada de las Flechas nach Cafayate. Auch da noch zwei Tage Erholung. Tafi de Valle bis Rioja. Treffe an der Tankstelle eine Gruppe argentinischer Motorradfahrer, sie helfen mir bei der Suche nach einem Hotel – Es ist Nationalfeiertag in Argentinien, bekomme gerade noch ein Zimmer in Rioja.

Am nächsten Tag bei Mabel und Nito in San Juan! Andres, ein Freund der Familie und Zahnarzt gibt mir sofort einen Termin. Wir diskutieren einige Szenarien, meine Entscheidung letztendlich: Zahn ziehen. Geht dann ruck zuck. Ich muss sagen, es wurden mir bereits Zähne gezogen, aber die Arbeit von Andres war außergewöhnlich:
Zahn um 18:00 gezogen, um 19:00 bei Miguel zum Asado, um 1:00 ins Bett, ohne Schmerztabletten, ohne irgendetwas zu spüren!

Geldwechseln: Werde binnen kurzer Zeit – fast – zum Millionär.


Ersuche Nito, dass wir die Verlängerung für das Motorrad bei der Aduana erledigen, er wischt meine Bitte mit einer weit ausladenden Handbewegung vom Tisch –
Wir haben Zeit!

2 Kommentare zu “Argentinien – Wenn es eng wird …

  1. Hallo lieber Toni beim lesen deines Berichts läuft und der kalte Schauder über den Rücken, was du dich traust und wie weit du dich ausserhalb der Komfort Zone bewegst werden wir wohl nie erfahren. Je mehr ich deine Berichterstattung lese je weiter rückt unserer Wunsch Südamerika mit unseren Motorrädern zu bereisen in weite Ferne. Bin froh dass du alles so gut überstanden hast, hätte auch anders ausgehen können. Liebe Grüße und hoffentlich bis bald Stefan und Michi

    • Anton Marschall

      Liebe Michi,
      Hola Stefan,
      Da müssen wir noch darüber reden!
      Südamerika hat alles: Vom Abenteuer bis zu Strandurlauben -> und vieles davon einzigartig!
      Sitze gerade in einer netten Cafeteria am Flughafen Schiphol, Amsterdam; am Abend nach Wien: Sommer zu Hause, im Herbst geht‘ wieder weiter.
      Da sollte sich doch etwas ausgehen!
      Liebe Grüße
      Toni

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