„Janus Reise“ durch die Türkei
War die Reise bisher eher frühlingshaft und mit viel Sonne begleitet, sollte sich das ab jetzt ändern. Adana – Sehr nettes Hotel mitten in der Stadt, finde eine tolle Bar mit Tabakshop und: Sehr gute Zigarren. Der Inhaber war lange Jahre in den USA, Phoenix, und hat eine Hand dafür. Decke mich mit einigen guten Stücken ein. Abendessen um die Ecke, ich gehe in ein Lokal, dass eher wie ein Fastfood Laden aussieht. Frage was es gibt, der Chef kommt dazu, spricht perfekt deutsch – hat in Frankfurt gearbeitet: Spezialität des Hauses: Bumbar Dolmasi … ok, kenne ich nicht, also dann. Dazu gibt es noch in „Fleisch eingerollten Reis“. Er erklärt mir genau was in den Bumbar Dolmasi drinnen ist, in was es gefüllt ist weiß er leider nicht auf Deutsch, das andere ist das Geheimnis des Hauses. Als es kommt beginne ich zu googlen – Gefüllte Lammdärme! Ist / Isst gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber vorzüglich und: Ich habe auch danach überhaupt keine Probleme irgendeiner Art (;-)). In der Nacht hat es heftig geschüttet, jetzt regnet es nur leicht. Ich ziehe gleich mit Regengewand los, vorher noch zur Moschee mit den unzähligen Türmen. Fotografiere sie von allen Seiten, ein Auto hält an, so lerne ich Güven, einen begeisterten Motorradfahrer kennen. Die BMW mit all den Reifen hat es ihm angetan. Wir tauschen Kontaktdaten aus, Fotos. Hotel und Spa in Gaziantep. Es hatte in den letzten Stunden geregnet und ich war schon etwas durchgefroren – ab ins Hamam und das Jacuzzi, mit gefühlten 45 Grad heißem Wasser. Der Wetterbericht war „ziemlich verheißungsvoll“: Eine Woche Regen, in den Bergen Schnee! Buche für zwei Nächte. Erstklassiges Hotel, riesige, gepflegte Zimmer, logiere im 13. Stock. Spa im 2 Keller, Cafeteria im Erdgeschoß, Restaurant im 15. Stock – ich werde das Hotel während meines Aufenthaltes nicht verlassen. Die Cafeteria hat einen riesigen, überdachten und voll geheizten Außenbereich – genieße meine Zigarre trotz eisiger Kälte und Schneefall, Hamam, Sauna, Bali Massage – die Dame bearbeitet mich mit fester Hand, kniet sich über mich und mit einem heftigen Ruck ins Rückrad. Es kracht ordentlich, sie fragt eher besorgt: „Everything ok?“ Ich sage einfach „Yes, yes“ – die nächsten zwei Tage spüre ich es im Rücken, aber: Es kommt gut. Am nächsten Tag kein Regen, weiter Richtung Osten. Zu den Straßen ist anzumerken, dass in der Regel die normalen Straßen vierspurig ausgebaut sind, häufig die Fahrtrichtungen in der Mitte getrennt, nicht wirklich für Biker gemacht. Quere den Euphrat: Foto ein Muss. Ich komme nun sehr nahe an die syrische Grenze, die Militärpräsenz steigt heftig an. Finde am Navi, dass Kobane ganz in der Nähe ist. Die Stadt wurde 2014 von der IS eingekesselt und belagert, viele sind aus der Stadt in die Türkei geflohen. Die kurdischen Peschmerga hatten mit Hilfe der USA begonnen gegen die IS zu kämpfen – Bei der Schlacht um Kobane gelang es den Peschmerga den Angriff abzuwehren und die IS zurückzudrängen. Da wollte ich unbedingt hin. Schon einige Kilometer vorher zweigt das Navi Richtung syrische Grenze ab, ich fahre über enge, schlechte Straßen, teilweise Feldwege Richtung Kobane – endlich etwas zum Motorradfahren!!! Von einem kleinen Hügel sieht man bereits die in Syrien liegende Stadt, dazwischen: Eine Betonmauer. Fahre so weit wie möglich an die Grenze heran, steige ab, Zeit zum Fotografieren. Höre irgendwie aus der Ferne jemanden schreien!!!??? Kann es mir vorerst nicht erklären, fotografiere weiter, nun wird das Schreien heftiger!!! Sehe links von mir einen Erdhügel, mit „Zelt“ überdacht, eine Militärstellung! Ok, verstanden, keine Fotos, fahre weiter zu einigen Häusern, bis ca 30 m vor die Mauer, wieder ein Soldat der grimmig schaut … ich beschließe mich zu verdrücken. Bei den Häusern einige Leute vor einem Gemeindehaus, daneben eine mit Stacheldraht und Betonmauer umwehrte Militärstation -noch schnell ein paar Fotos.
Nun beschließe ich eher rasch auf der Hauptzufahrtsstraße die Gegend um Kobane zu verlassen. Sehe von hinten auch die Militärstellung von vorhin – mit eingegrabenem Panzer. Einige Militärautos auf dem Weg, Bauern, … Kurz vor Suruc werde ich an einem Checkpoint des Militärs angehalten. Die Soldaten sind richtig bewaffnet … Muss mich ausweisen, Gepäck wird kontrolliert, woher ich komme, wohin ich will und überhaupt: Wie bin ich da rein gekommen und: Warum bin ich da! Einer der Solaten spricht spanisch, so kann ich in radebrechenden Spanisch Auskunft geben. Nachdem die Perlustrierung erledigt ist, etwas Smalltalk, im Google Übersetzer gibt mir einer zu verstehen: Das ist ein Terroristengebiet, es ist sehr wahrscheinlich, dass mir meine Gegenstände und das Motorrad abgenommen werden! Na ja, nun beim Rausfahren hat sich die Info auch schon erledigt. Tanken in Sanliurfa, einer der Tankwarte spricht sehr gut Deutsch, natürlich gibt es Tee, aber auch Essen muss ich mit ihnen. Als Tagesziel habe ich Mardin ausgewählt, mich haben vor allem einige Hotels sehr angesprochen. Als ich in Mardin ankomme tauche ich in eine andere Welt ein. Die Stadt liegt auf einem Berg, die Gebäude sind alte Steinhäuser und es sind unheimlich viele Touristen in dem Ort. Steige im Hotel Izala ab, unbeschreiblich, einfach ein Traumhaus. Ausblick vom Zimmer ins das weite Tal. Tee auf der gegenüberliegenden Terrasse, viele Touristen, für mich alles Türken. Ein weiterer Höhepunkt auf meiner bisherigen Reise. Beim Frühstück ein Ehepaar mit kleinem Kind, sie sind Italiener, der Mann arbeitet seit zwei Jahren in Ankara, seine Frau ist vor acht Monaten ebenfalls nach Ankara übersiedelt und arbeitet dort in ihrem angestammten Beruf als Architektin – ein interessantes Gespräch mit den Beiden. Durch meine Reisepläne kommen wir auch auf Indien zu sprechen. Sie waren vor einigen Jahren im Himalaya Gebiet, auch mit dem Motorrad und zwar im Spiti Tal – DAS Tal, das ganz hoch oben auf meiner Liste steht!
Von Mardin geht es immer näher an die syrische Grenze, teilweise verläuft sie direkt neben der Straße. Leicht zu erkennen, da auf die gesamte Länge eine Mauer, Stacheldraht und auf Sichtweite Militärposten mit Geschützen sind. Bis Cizre ist die Straße weiter autobahnartig. Cizre selber liegt am Dreiländereck Türkei, Syrien, Irak und: der Tigris fließt mitten durch die Stadt! Zurzeit etwas hoch, kein Wunder es regnet hier seit Tagen in Strömen. Fotos wieder ein Muss – ich bin an einem Tag das Zwischenstromland durchfahren! Ok, auf der türkischen Seite, aber immerhin. Die Mauer an der Grenze zu Syrien verläuft mehr oder weniger bis an die Häuser der Stadt, viel Militärpräsenz. Straßenschild: Irak 43km. Ich bereue es mittlerweile kein Visa für den Irak beantragt zu haben, Mossul ist in zwei Stunden zu erreichen, Erbil, … Fehler! Eigentlich wollte ich noch einmal die Berge zum Schwarzen Meer kreuzen, Erzerum meldet „-7 Grad und Schneefall“. Auch Kars, in der Nähe zum Ararat, hat ähnliches zu berichten. Mir reicht schon die Vorahnung was noch vor mir steht, der Wetterbericht der letzten Tage hat auch für diese Region ebenfalls starke Schneefälle gemeldet. Ich bleibe schweren Herzens auf türkischer Seite und fahre weiter Richtung Iran. Die Straße wird zweispurig, enge Kurven und mit tiefen Löchern übersät.
Es regnet teilweise ziemlich stark. Alle zehn bis zwanzig Kilometer eine Militärkontrolle. Die Gegend wir immer düsterer, was nicht nur das Wetter verschuldet. Die Häuser sind sehr ärmlich, teilweise auch die Leute, die ich auf der Straße sehe. Überall liegen Kohleberge herum, diese werden im Tagebau einfach aus dem Berg gehauen und liegen aufgehäuft neben der Straße. Da es kalt ist merkt man auch, dass überall mit Kohle geheizt wird. Auf dem Weg eine Aneinanderreihung von Staudämmen, teilweise in Betrieb, viel unfertig, man fährt einfach durch die Staumauern unten durch. Ich bin nun schon über 2.000 m hoch, neben der Straße liegt Schnee. Ich überhole einen Tieflader, beladen mit einem Panzer. Kann ohne Probleme den Konvoi überholen, freundliche Handzeichen an die Begleiter. Mit etlichen Kehren geht es weiter bergauf, am Pass ist dann reine Winterlandschaft und kalt. Nachdem es wieder nach runter ging, hoffte ich, dass es das war – die Berge vor mir ließen leichte Zweifel aufkommen. Weiter nach oben – 2.800 m. Die Straße war mittlerweile in den Schnee hineingehauen, rechts und links an die fünf-Meter-hohe Schneewände. Hatte zumindest Hakkari im Visier, da noch etwas Zeit bis zum Sonnenuntergang war beschloss ich bis Yüksekova zu fahren, immer in der Hoffnung, dass es weiter unten liegt – falsch gedacht: 1.950 m, in der Stadt und im Umfeld liegt Schnee. Finde ein nettes Hotel, Yilmaz Grand. Lauter junge Burschen, hochmotiviert hieven sie mein Motorrad über die fünf Stufen zum Eingang in die Eingangshalle. Ein junger Kurde weicht nicht mehr von meiner Seite, ich frage ihn wo es etwas zu essen gibt. Er: Was möchtest Du? Alles über Google Sprachübersetzung. Kebab ist ok. Bezieh mein Zimmer, komme zurück und frage wo das Restaurant ist, er: Essen kommt in fünf Minuten. Wird mit Cola ins Haus geliefert. Abschied beim Frühstück, er meint ein guter Freund von ihm, Kadir, wohnt in Van, den könnte ich doch auch besuchen?! Wollte zwar heute über die nahegelegen Grenze in Esendere in den Iran, aber: Van war eigentlich auch immer auf meiner Liste, und der Wetterbericht war nicht so schlecht, nur etwas Schneefall. Der Pass geht wieder auf 2.700 m, oben schneit es wieder, Nebel, Minus Grade. In Van finde ich das Hotel Rönesanse, und das ist ein echter Hit! Schade, dass ich nur einen Tag bleibe, hätte sich mehr verdient. Kadir kommt nach der Arbeit ins Hotel, mit seiner Arbeitskollegin Bahar. Wir trinken gemeinsam Tee, typische türkische Nachspeise und reden über meine Reise, ihre Arbeit – Sozialarbeiter für Straßenkinder. Genieße das Luxusleben im Hotel Rönesanse, Essen bei Mevlana – Kebab, what else! Zeit, Abschied von der Türkei zu nehmen, über die nahegelegene Grenze Kapyköy – Razi in den Iran.
Zwei Gesichter der Türkei – Vorsommer und tiefer Winter.
Lieber Anton
Danke für die wundervolle Beschreibung und die Bilder deiner neuen Abenteuer! Ich konnte gar nicht aufhören mit dem lesen, was für ein wunderbarer Start in den Tag mit solcher Lektüre.
Fühlte mich fast als wäre ich dabei gewesen — sozusagen auf dem Sozius — herrlich!
Weiterhin gute Fahrt und viele, viele schöne Momente und Erlebnisse!
Herzliche Grüsse
Brigitte
Dein Bericht – nur herrlich!