Peru – Ausnahmezustand

15.3.2020

Dramatische Entwicklungen

Im Fernsehen läuft den ganzen Abend eine Sondersendung, verstehe nicht alles, aber:

  • Ab Mitternacht: Ausnahmezustand für 15 Tage.
  • Einen Tag später werden alle Flughäfen und Grenzen für 30 Tage geschlossen.

Anruf bei der österreichischen Botschaft, Notfallnummer, und der Konsul hebt tatsächlich ab. Kurze Abstimmung über die Lage und Möglichkeiten.

Wecke Toni, erkläre ihm meinen aktuellen Wissenstand. Er meint, wir sollten ruhig bleiben und wie geplant vorgehen, am nächsten Tag unsere Motorräder zum Verschiffen bringen und dann weiter sehen.
Am nächsten Tag in der Früh: Frühstück, dann zur Agentur.
Obwohl Lima bereits im Ausnahmezustand ist, das Militär die Straßen kontrolliert, kommen wir zur Agentur und nach der Erstellung der Zolldokumente auch zum Zolllager. Die bürokratischen Hürden sind teilweise bizarr:

  • Der Sicherheitsdienst verlangt für die Einfahrt ins Zolllager einen peruanischen Führerschein. Nicht einen Nationalen, nicht einen Internationalen, sondern einen Peruanischen! Die Aufklärung nimmt viel Zeit und das Einschreiten des Zolls in Anspruch.
  • Wir werden gewogen, mit „WIR“ ist gemeint jeder Einzeln -> MIT Motorrad und OHNE Motorrad! Auf der Brückenwaage, für 40 Tonnen!
  • Wir müssen im Zollgelände einen Helm tragen, einen Baustellenhelm, nicht den Motorradhelm – auch beim Fahren auf dem Gelände!
  • Unterschriften reichen nicht, es werden alle Fingerabdrücke genommen.

Und das nicht für die Zollprozedur, nur für die Einfahrtsgenehmigung ins Gelände! Beim Portier!

Letztendlich gelingt es uns nach etlichen Stunden die Motorräder im Zolllager abzugeben. Das Zollverfahren ist damit jedoch noch nicht erledigt. Es sind noch weitere Inspektionen notwendig, bei der die Anwesenheit des Eigentümers erforderlich ist. Wir möchten dafür unserem Agenten eine Vollmacht ausstellen – das ist nur bei einem Notar möglich. Wir fahren mehrere Stunden durch Lima, bedingt durch die Ausnahmeregelungen sind alle Geschäft, Restaurants, … und auch alle Notariate geschlossen. Jetzt wirken bereits die Absperrmaßnahmen. Das Militär hat die Kontrolle übernommen, wir müssen im Zick Zack durch die Stadtviertel um weiter zu kommen. Trotz alledem muss ich sagen, dass Eduardo, unser Agent, wirklich Unglaubliches geleistet hat – kann ihm nur von ganzem Herzen für all seinen Einsatz und die Unterstützung danken.
Weiter zum Flughafen, eine unglaubliche Menschenansammlung. Stelle mich in der langen Schlange beim Check-in an. Toni versucht noch einen Schalter für Tickets zu finden, leider erfolglos.
Wenn an solchen Tagen etwas schief geht, dann aber wirklich alles: Mein gebuchter Flug von Lima nach Sao Paulo, Abflug 22:00 Uhr, wurde von der Fluggesellschaft, Avianca, gecancelled – obwohl der Flughafen noch bis 24:00 Uhr offen war, der Anschlussflug von Sao Paulo nach Frankfurt ging planmäßig. Die Damen von Avianca können mir nur die Tatsache, nicht den Grund nennen, warum Avianca noch zwölf Stunden vorher eine Flug verkauft und diesen sechs Stunden später cancelled. Mir ist klar, dass ich aus Peru auf NORMALEN Weg in den nächsten Wochen, wahrscheinlich Monaten, nicht heraus komme.

Das Hotel direkt am Flughafen hat noch Zimmer frei, jedoch vermieten sie nur für 15 Tage, lapidare Erklärung: „Solange gilt der Ausnahmezustand“. Wir fahren mit einem Taxi ins Zentrum und suchen über Internet zwei Apartments, mitten in Miraflores. In Anbetracht der Gesamtsituation die beste Entscheidung.

Am nächsten Tag die, zunächst, positive Information:
Neues Dekret des Präsidenten, Ausländer dürfen noch ausreisen! Hatte ein KLM Ticket, die hatten schnell reagiert und meinen Flug so umgebucht, dass ich über die USA ausreisen sollte. Schnell noch ein ESTA Visa für die USA.
Wir erfahren jetzt was „Ausnahmezustand“ in Peru heißt:

  • Einen Tag später wird eine Ausgangssperre von 20 Uhr bis 6 Uhr früh verhängt.
  • Zwei Tage später wird der zivile Flughafen, der „für die Ausreise von Ausländern theoretisch noch betrieben wurde“ gesperrt und nur mehr der militärische Flughafen in Betrieb gehalten.
  • Die Maßnahmen kommen unmittelbar, ohne Ankündigung.

Damit sind für die Ausreise von Ausländern zivile Flüge nicht mehr möglich. Von KLM kommt mit großem Bedauern, die endgültige Absage des Fluges.
Ich möchte hier den Alltag nicht im Detail beschreiben, die Unmittelbarkeit der Umsetzung aller Maßnahmen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, vor allem militärische und polizeiliche, ist beeindruckend wie beängstigend zugleich. Wir waren damit beschäftigt Nahrungsmittel einzukaufen, überwiegend jedoch verschiedene Möglichkeiten von staatlich autorisierten Rückholflügen zu suchen, voranzutreiben, Rückschläge im Stundentakt. Viele Menschen haben sich für uns eingesetzt, bin jedem Einzelnen dafür unendlich dankbar. Nach zwei Wochen konnten wir mit einem Sonderflug der AUA zurück nach Wien fliegen. Nach vielen Rückschlägen, Anstrengungen, Warten, … zur Gangway bei der AUA Maschine. Zwei Meter vorher das obligatorische Fiebermessen – Wenn da jemand noch zurückgewiesen wird ist eine Einlieferung in eine Irrenanstalt voraus programmiert (;-))

Bin stolz und glücklich, dass die AUA und die österreichischen Behörden eine derartige Ausnahmesituation meistern konnten. Ich hoffe, dass sich dieser Einsatz für alle Beteiligten in der Zukunft bezahlt macht und gewürdigt wird – und nicht einfach in Vergessenheit gerät.

2 Kommentare zu “Peru – Ausnahmezustand

  1. Brigitte

    Lieber Anton
    Was für eine gute Nachricht! Du bist wieder zuhause. Hab so die Daumen gedrückt, als ich von den Rückholaktionen aus Lima in den Nachrichten hörte.
    Was für ein Erlebnis – aber ich glaube, auf das hättest du gut verzichten können.
    Bleibt gesund und hoffentlich haben wir diesen Virus bald besiegt.
    Herzliche Grüsse
    Brigitte

    • Anton Marschall

      Liebe Brigitte, Das Daumen drücken hat geholfen, vielen Dank! Es war kein gefährliches Erlebnis, aber eines auf das ich liebend gerne verzichtet hätte. Bleib gesund!

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