Am Gittertor zur Grenzstation ein freundlicher Soldat – der übliche Laufzettel. Eine Kamera überwacht die Einfahrt, stelle mich auf den Platz vor der Kamera. Verstehe das Deuten des Soldaten nicht gleich … meine Nummertafel muss auf das Bild! Also verkehrt rum und weiter zum Zollhaus. Motorradausfuhr und Migration dauern zwar ihre Zeit, geht aber ohne Probleme. Raus aus Usbekistan, weiter in den tadschikischen Grenzbereich. Migration unkompliziert. Weiter zum Zollgebäude – Motorradeinfuhr. Die Prozedur dauert etwas länger. Im Fernsehen läuft die Übertragung des Jahrestreffens von 28 Staatspräsidenten in Dushanbe, – Putin, Rohani, Erdougan, … – weiß noch nicht, dass das auch Auswirkungen auf meinen Reisetag haben wird. Die Einfuhrgebühr für das Motorrad beläuft sich für fünfzehn Tage auf zehn Dollar. Mit dem voll ausgefüllten Laufzettel zum Ausfahrtstor – in Tadschikistan. Hatte schon vor der usbekischen Grenze einige tadschikische Somoni gewechselt und fahre ohne weitere Unterbrechungen nach Chudschand. Die Region wird als eine der schönsten des Landes beschrieben – Seen, Berge – Urlaubsgebiet. Nehme mir nur die Zeit für einen kurzen Halt an einem Kiosk und werde von einigen etwas dubiosen Gestalten angesprochen, die Augen „sehr glasig“ – fällt mir bei vielen Menschen in Zentralasien auf – aber allesamt sehr nett.
Die Straßen sind großteils gebührenpflichtig – nicht für Motorräder, mit denen fährt man, teils abenteuerlich, außen um die Mautstelle herum, gefällt mir! Ich möchte bis Dushanbe und nehme mir – leider – wenig Zeit für diesen Teil Tadschikistans. Usbekistan war überwiegend Ebene und Wüste, auch dieser Teil Tadschikistans ist im Auslauf des Fergana Valleys und von Landwirtschaft geprägt, aber die schneebedeckten Berge sind im Hintergrund schon deutlich zu sehen – das Fan Gebirge. Freue mich schon auf die Berge, das Fan Gebirge bietet ganz besondere Highlights. Die Straße ist gut asphaltiert, relativ wenige Autos, komme gut voran. Die ersten Kehren in die Berge … dann bricht das Motorrad unter mir zusammen. Vermeide gerade noch einen Sturz und komme zum Stehen. Ich sitze auf dem Motorrad wie auf einem Chopper. Den Seitenständer bekomme ich auch nicht raus, muss die BMW auf die Seite legen. Der Hinterreifen liegt am Kotflügel auf, auf der Straße dahinter sehe ich einige Teile verstreut herum liegen, Feder, Scheiben, … Die Feder fehlt am hinteren Stoßdämpfer. Ein erster Blick sagt mir, dass sich der hintere Stoßdämpfer zerlegt hat. Sehe im Tal einige Bauern Bäume auf einen Transporter verladen, die sind aber zu weit weg, sonst ist es relativ einsam. Nur wenige Autos, keine LKWs oder Transporter weit und breit. Hebe das Bike auf, möchte es zum Fahrbahnrand bringen. Start, erster Gang, der Reifen liegt am Rahmen auf, mit einigem Gas geht es die ein, zwei Meter zum Straßenrand. Bin etwas ratlos, zwei vorbeifahrende PKWs halten an, fragen eher aus Neugierde was los ist. Ein Fahrer erklärt mir, dass die nächsten zwei Tage keine LKWs über den Pass fahren, ich verstehe zwar nicht warum, nehme es aber zur Kenntnis. Frage ob sie einen Transportdienst kontaktieren können, wissen keinen und fahren ohne Hilfestellung weiter. Ich habe keine SIM Karte oder sonstige Telefonverbindung und sehe mich schon auf der Straße übernachten, auch kein Plan, beginne Koffer, Ersatzreifen, … zu demontieren. Bin schon einige Stunden hier, die Dunkelheit bricht herein. Sehe einen Transporter die Straße herauf kommen, halte ihn an: Ein Autotransporter! Er überstellt ein Auto nach Dushanbe. Der jungen Mann bleibt erst etwas skeptisch blickend in seinem Auto sitzen bis ich ihn überzeuge auszusteigen und sich die Situation anzusehen: Wir könnten doch das Motorrad zum Mercedes SUV dazu aufladen? Er bleibt skeptisch, ich hartnäckig. Nach einiger Zeit lässt sein Widerstand nach, er deutet an, dass er die Auffahrtsträger hinten befestigen und das Motorrad drauf stellen könnte. Sehr guter Plan, wir befestigen mit Zurrgurten die beiden Träger an der Landefläche – sieht gut aus! Wir werden es aber kaum schaffen zu zweit das Motorrad hochzuheben, ich versuche den nächsten Wagen anzuhalten, der hält wirklich! Ein Mann steigt aus, denke da brauche wir noch einige mehr. Gebe ihm zu verstehen, dass wir das Motorrad hochheben müssen – er öffnet die hintere Autotür und im Endeffekt steigen fünf Männer aus dem Fahrzeug! Geht doch! Gemeinsam haben wir die BMW auf die beiden Träger, mit herzlichem Dankeschön verabschieden sich unsere Helfer. Wir zurren das Bike ordentlich fest, die Koffer, Taschen, Ersatzräder und -reifen aufladen und fertig zur Abfahrt.
Mittlerweile ist es vollständig dunkel geworden, das ganze hat doch einige Stunden gedauert. Frage meinen „Retter“ wie lange es bis Dushanbe braucht: Sieben Stunden! Wir haben auch schon den Preis für den Transport vereinbart. Ist für die örtlichen Verhältnisse zwar hoch, in Anbetracht der Situation aber mehr als gerechtfertigt – außerdem habe ich für korrupte Polizisten bereits mehr bezahlt. Er hat Kekse und Wasser mit, welche er mir anbietet – nehme ich gerne an. Wir fahren stundenlang über das Fan Gebirge, sehr eindrucksvoll – lange, unbeleuchtete Tunnels, viele Kurven, Kehren, teilweise schlechte Straße, mit etwa 25 Stundenkilometer Richtung Hauptstadt von Tadschikistan. Assam, telefoniert einige Male, fragt mich, ob ich ein Smartphone habe – habe ich, aber kein Internet, er hat nur eine große SIM Karte, die passt nicht in das iPhone. In Aini halten wir an, Fenster runterkurbeln, rede einige Männer an der Straße an, weiß zwar nicht warum, aber Assam wollte es so. Die sind neugierig geworden, Assam spricht mit ihnen und sie reichen ihm ein Smartphone. Erst jetzt verstehe ich, dass er auf der Suche nach einer Werkstätte für mein Motorrad ist! Er notiert sich einige Telefonnummern, wir bedanken uns bei den Männern und weiter. Assam telefoniert mit einigen Leuten, mittlerweile ist es schon fast Mitternacht. Nach einigen Gesprächen streckt er den Daumen hoch, alles ok. Zwei Stunden vor der Stadt eine kilometerlange LKW Schlange am Straßenrand, ich hatte den ganzen Tag keinen LKW gesehen und bin nun sehr erstaunt. Wir fahren links vor bis wir von einem Polizisten angehalten werden, längere Diskussion und wir dürfen weiter fahren. Viele Lichter entlang der Straße, Fahnen, … Assam, mein Fahrer gibt mir zu verstehen, dass hier heute das Treffen der Staatschefs stattgefunden hat und daher der Pass für drei Tage gesperrt ist. Die LKWs wurden in Chudschand gestoppt, die die bereits unterwegs waren wurden an der Strecke angehalten. Lediglich PKWs werden durchgelassen, Assam muss bei jeder Polizeikontrolle diskutieren damit wir mit dem Transporter durchkommen. Wir erreichen die Stadt nach Mitternacht, die Fahrt wird zur Odyssee. Überall Straßensperren und wir bewegen uns im Kreis. Letztendlich umfahren wir die Stadt großräumig, in der Nähe der Werkstätte ruft er nochmals an, die Besitzer kommen uns abholen und bringen uns zur Werkstätte. Abladen, ehe ich mich versehen ist Assam verschwunden. Die Jungs von der Werkstätte besichtigen den Schaden, „Kein Problem, morgen Mittag könne ich schon wieder weiter?!?!“ Es ist gegen drei Uhr früh und sie beginnen gleich zu arbeiten! Einer bringt mich noch zu einem nahegelegenen Hotel, leider alles ausgebucht – Jahrestreffen der Präsidenten und ein Ärztekongress. Checke mein Navi, ich hatte schon einige Tage vorher nette Unterkünfte in Dushanbe markiert, eines davon ist ganz in der Nähe, einige Minuten zu Fuß. Das Hotel fragt wegen eines Zimmers an – eines ist noch frei – Passt! Die Jungs vom Hostel holen mich mit dem Auto ab und ich komme gegen vier Uhr früh ins Bett.
Eigentlich wusste ich vor einigen Stunden nicht wie es weitergehen wird, es war Samstag Nachmittag, ich hatte keinen Plan
- jetzt bin ich in einem Hostel, welches ich mir ausgesucht hatte,
- das Motorrad ist in einer Werkstätte und
- es sieht so aus, als ob der Schaden rasch behoben sein könnte.
Sonntag Mittag in der Werkstätte, die Jungs arbeiten an meinem Bike, etwas angespannte Stimmung, einige Komplikationen. Zwei Möglichkeiten:
- Einen neuen Stoßdämpfer aus den USA -. Kosten 2.500.- Dollar und circa fünf Tage Wartezeit.
- Reparatur des alten Stoßdämpfers am Montag mit einem Bruchteil der Kosten und rasche Fertigstellung.
Wir entscheiden uns für die Reparatur. Tatsächlich ist das Motorrad Montag mittags fertig und fahrbereit! Die Jungs garantieren, dass es den Pamir Highway locker aushält!
Vielen Dank an die Jungs von Moto Brothers! Sie haben in weniger als zwei Tagen den Schaden repariert.
Vorweg: Die BMW kommt wie versprochen gut über den Pamir Highway!
Hallo lieber Toni !
Unglaublich das die Jungs das wieder hingebracht haben. Da hattest du ja wirklich Glück im Unglück
Die Story von dir wieder mal ein Hit . Bin schon sehr gespannt wie es jetzt bei dir weitergeht mit deinem neuen Bike.
Wir haben jetzt eine Woche Family Break , das bedeutet unsere Kinder mit Enkelkinder kommen in ein Haus nach Kopenhagen welches wir gemietet haben.
Wir freuen uns schon sehr, danach geht es für uns weiter Richtung Norwegen.
Liebe Grüße
Stefan und Michi
Lieber Toni
Abenteuer pur- schön das alles so geklappt hat. Wir sind zur Zeit in Kärnten auf Urlaub- verglichen mit deinen Erlebnissen ist es hier richtig ruhig.
Freue mich immer von dir zu hören.
Liebe Grüße & hoffentlich bis bald & alles Gute
Toni Reithner
Lieber Anton
sobald ein Bericht von dir kommt, wird alles andere Nebensache! Er muss sofort gelesen werden.
So hilfsbereite Menschen, die du auf dieser Tour triffst — ich staune! Man sieht alles plötzlich mit anderen Augen.
Weiterhin gute Fahrt und viele, schöne Erlebnisse und Bekanntschaften!
Herzliche Grüsse
Brigitte
Brigitte
Lieber Toni
Du schreibst recht entspannt von deinen unzähligen, doch recht zeitintensiven, und sicher z.T. auch nervenaufreibenden Grenzübertritten. Auch der zerlegte Stossdämpfer scheint dich nicht wirklich aus der Ruhe zu bringen. Sicher ist das auf deine grosse Erfahrung mit solchen Situationen zurückzuführen. So quasi nach dem Motto; es kommt immer eine Lösung 😉
Ich versuche jeweils mich in die Lage zu versetzen…. schwierig!!
Danke für die sehr interessanten Bericht mit den schönen Bildern. Das macht so richtig Lust die Strecke selber zu „erfahren“.
Gute Reise.
Bruno