Bolivien – Ins Tiefland

17. Februar 2022

Zeit Frederic und seine Familie in Tarija im Hotel La Pasarela zu besuchen. Sie sind über all die Jahre zu wirklich guten Freunden geworden. Sehr freundlicher Empfang bei Frederic und Maira, freue mich Esparanza und Matteo wieder zu sehen. Mit Martin, dem Sohn von Frederic, ins El Viejo Taco, tolles Restaurant, zu einem sehr guten Abendessen. Ich hatte für das temporäre Permit für die BMW an der Grenze von Chile nach Bolivien nur dreißig Tage erhalten. Als Person habe ich die vorgesehenen neunzig Tage bekommen, mein Motorrad bekommt maximal dreißig Tage – wegen der Pandemie! Aber: „kann in jedem Office der Aduana eine Verlängerung für neunzig Tage beantragen“. Die Pandemie hat in vielen Bereichen zu einer echten Verschlechterung in der Verwaltung geführt – more to come.

Bei der Aduana in Tarija: „Das geht schon, aber erst sechs Tage vor Ablauf der Frist“?!
Die Dichtungen an der Gabel sind wieder mal undicht, kurze Rückfrage bei Ovidio von BMW Santa Cruz -> kann jederzeit vorbeikommen. Entre Rios, Huacareta, Monteagudo  – da liegt La Higuera auf dem Weg. Halt bei Oda und Juan im Casa del Telegrafista. Durch die Pandemie ist ziemliche Flaute, kaum Touristen im Ort. Fotos am Plaza bei der Statue von Che Guevara. Heftiger Regen am nächsten Tag begleitet mich über die Berge bis Vallegrande.

Warum eine bestens ausgebaute, asphaltierte  Straße von Vallegrande nach Santa Cruz binnen weniger Jahre so weit verfallen kann, dass eine schlechte Schotterstraße daraus wird, die noch dazu dicht befahren ist, bleibt mir ein Rätsel. Service und Reparatur bei BMW sehr professionell. Auch hier zur Aduana – komme ohne zu warten an die richtige Dame. Verlängerung für das temporärere Permit, kein Problem, wo ist das Motorrad? Beim Service. Komme morgen wieder. Hatte vor einigen Jahren Pater Hubert in San Jose de Chiquitos getroffen, ein österreichischer Pfarrer, der seit den fünfziger Jahren in Chiquitos wirkt. Überlege ihn wieder zu besuchen, kurzer Check im Internet: Pater Hubert ist vor einem Jahr gestorben. Vieles was im Nachruf über ihn berichtet wird – und noch viel mehr – hatte er mir noch persönlich bei einem gemeinsamen Nachmittag im Hof seiner Kirche bei mehreren Litern Fanta erzählt.
Das temporäre Permit ist am nächsten Tag wirklich schnell erledigt, kaum fünfzehn Minuten und ich habe die notwendigen sechzig Tage.  Den Umweg nach San Jose de Chiquitos lasse ich nun aus, nehme den direkten Weg nach Trinidad. Entlang der Straßen unzählige Farmen mit Rindern,  typisch für das Beni. Sehr nettes Hotel Balneario Itapemi in Ascension de Guarayos – habe Glück, die Zufahrt zum Ort ist wegen einer Demonstration abgeriegelt, 20 Kilometer Stau vor dem Ort, mit dem Motorrad werde ich seitlich „vorgeschleust“ und durchgelassen.

Die Demonstrationen in Bolivien sind berüchtigt, ufern häufig aus, dauern auf viele Tage und sind rigoros. Die Straße nach Trinidad ist sehr gut ausgebaut, komme schnell voran. Trinidad selber macht auf mich einen schrecklichen ersten Eindruck, dazu kommt ein heftiges Gewitter, binnen Minuten sind die Straßen knietief überflutet. Die Hotels im GPS sind überall, nur nicht dort wo sie Google oder maps.me vermutet. Finde ein nettes Hotel. Spaziergang durch die Stadt, Cafeteria, Abendessen, Fotos, und am Ende bin ich von Trinidad sehr angetan. Turbulentes Treiben, Motorräder, Tuk Tuks, Abgase, Lärm, aber die Stadt ein gewisses Flair, das mich anspricht.

Zwei Flüsse nach San Ignacio de Moxos. Typische Holzfähren, geben einiges her für Fotos. Es wird strikt zwischen Vier- und Zweirad unterschien. Verstehe zwar nicht warum ich ziemlich umständlich auf die kleinen Fähren auf- und abfahren soll, aber: Soll so sein. Die klapprigen Fähren transportieren nicht nur Autos, sondern auch LKWs, Busse. So ursprünglich die Fährverbindungen für Amazonasverhältnisse sind, so super ausgebaut sind mittlerweile die Straßen. Diese waren noch vor einigen Jahren echten Abenteurern vorbehalten, mit tiefen Schlammpassagen, LKWs bis zur Ladefläche im Dreck, jetzt mit bestem Asphalt, Brücken.
Straßenschilder „Wildwechsel“: Kühe, Capybaras, Krokodile … die Hinweise auf  Pumas finde ich dann doch etwas übertrieben.

Kurzer Halt in San Ignacio de Moxos, sehr nett gestaltete Kirche am Plaza de Armas. Die letzten hundert Kilometer bis zur Einmündung in die Straße nach Rurrenabaque sind Baustelle, staubig. Das Hostal Santa Ana in Rurre hat eine gemütliche „Hängemattenlandschaft“, da hänge ich ganz entspannt ab.

Die F3 von Rurre nach La Paz ist die Hauptverbindung in den Beni, man merkt das nur sehr bedingt – siehe Bilder. Wollte in Caranavi nächtigen, der bevorstehende Carneval lässt mich umdenken. Carneval wird in Bolivien in einigen Städten, Orten exzessiv gefeiert, dh.: Verkleiden und Trinken bis zum Umfallen. Caranavi hält diese Tradition offensichtlich hoch.

Weiter nach Coroico, in der Villa Bonita treffe ich wieder Gianni, der Carneval hält auch hier Einzug – keine Cabanas frei. Dafür gibt es selbstgemachtes Eis. Er hat etwas außerhalb von Coroico ein Grundstück mit Haus gekauft. Dort verbringen wir die Nacht. Die Dusche ist zwar baulich fertig, nur mit Wasser, geschweige denn warmes Wasser ist eher nicht. Dusche mit geschätzten eineinhalb Litern kaltem Wasser. Über die Death Road in Richtung La Paz. Vermisse den Gegenverkehr mit den Mountainbikern, die die Death Road normalerweise bevölkern?! Knapp vor dem Ende: Erdrutsch! Und zwar ein ziemlich ausgewachsener. Hatte kurz davor einen Radlader überholt, der kommt jetzt auch. Der Fahrer meint: „In einer Stunde ist alles wieder frei!“ – Wer’s glaubt. Warte trotzdem, Mate – ca. 1 Stunde, Zigarre ca. 1 Stunde.

Von oben kommen nun Mountainbiker über den Erdrutsch, die Begleitfahrzeuge müssen warten. So erfahre ich, dass die Strecke schon seit mehreren Wochen gesperrt ist. Nach drei Stunden verabschiede mich und mache mich auf zur „neuen Straße“. Die Umfahrung wurde vor etlichen Jahren als Ersatz für die Death Road gebaut. Durchgehend asphaltiert, geht ziemlich schnell, bis: ca. ein Kilometer vor der Einmündung der Death Road: Sperre wegen Erdrutsch – wieder warten. Komme am späten Nachmittag nach La Paz, die Stadt ist wie ausgestorben. Wo normalerweise endlose Staus sind, alles frei. Der Carneval hat die Leute aus der Stadt in die umliegenden Orte, und vor Allem in den Hauptort: Oruro gelockt. Das Hotel Qhini liegt sehr ruhig, hat einen wunderschönen Garten, sehr nettes Zimmer. Leider ist es in La Paz bereits saukalt, mit gemütlich draußen sitzen ist nicht. Schreibe Gert Franke an, habe ihn vor vielen Jahren in La Paz kennengelernt und bei jedem meiner Aufenthalte besucht – er freut sich sichtlich, so vereinbaren wir uns am nächsten Tag in der Früh bei ihm zu Hause. Treffe ihn und seine Tochter in seiner Wohnung, nettes Gespräch: Pandemie, Auswirkungen, Politik, Menschen, …

Der Carneval ist mit heutigen Tag vorbei, mache mich auf den Weg nach Cochabamba. Die Straße hoch nach El Alto, dort beginnt der übliche Wahnsinn. Dreispurige Ausfahrtsstraße aus der Stadt, zwei davon sind Marktplatz, der dritte Parkplatz für die Kunden. Es dauert ewig bis ich die rund zehn Kilometer schaffe, dazwischen noch Tanken. Übrigens: Problemlos zum Einheimischenpreis. Auf der Straße nach Oruro alle zehn Kilometer Geschwindigkeitskontrollen, die Polizisten mit den Laserpistolen verstecken sich wie Indianer im Gebüsch seitlich der Straße, einen Kilometer weiter werden die Delinquenten von hochmotivierten Polizisten herein gewunken. Komme ganz gut voran, bis: Habe einen versteckten Indianer übersehen. Werde hektisch herein gewunken. Ein Polizist nimmt sich meiner an. Statt max. 80kmh => 100 kmh. Um 20 kmh zu schnell! Ehrlich: Ich denke es waren 150kmh. Kenne das nun ablaufende Theater leider schon zur Genüge: Zu schnell, woher kommst Du? Wie schnell darf man bei Euch fahren? … Es ist eine Autobahn, ich erkläre ihm, dass wir 130kmh fahren dürfen, das ändert natürlich nichts. Das ganze Getue ist nur deshalb, weil er mir jetzt ganz „versteckt“ und doch sehr offensichtlich andeutet, dass ich etwas in die Laschen meiner Koffer stecken soll. 100.- Bolivianos – gerade mal 12.-€ -> in die Lasche, er kommt mit einem Handschuh, verdeckt gekonnt das Geld und nimmt es an sich.

Für mich jedes Mal ein Schauspiel. Danach großes Theater, zeigt mir sein „kluges Buch“: Die Strafe beträgt 200.- Bolivianos, ich soll also mit seinem Entgegenkommen zufrieden sein. Wenn man weiß, dass jede Korruption 100,- Bolivianos kostet relativiert sich auch dieses Theater. Treffe noch auf etliche Geschwindigkeitskontrollen, bin aufmerksam und sehe sie rechtzeitig.
Vor Oruro zieht innerhalb von Minuten ein schweres Gewitter auf, habe gerade noch Zeit unter einen kleinen Brücke Schutz zu finden ehe es so richtig zu hageln beginnt.

In Oruro die omnipräsente Anzeige am Tacho: „Reifendruck hinten“. Schnell einen Streifen reingedrückt, einige Meter weiter eine Gomeria zum Aufpumpen. Ich glaube, dass ich an allen Reifen die ich bisher montiert hatte – und das waren viele auf den mehr als 250.000 tausend Kilometern meiner Tour – mindestens einen Reifenschaden hatte …

6 Kommentare zu “Bolivien – Ins Tiefland

  1. Hallo lieber Toni !
    Danke für die aufregende Story die wir wie immer verschlungen haben, unglaublich was
    du alles erlebst….
    Aber Respekt bei alles dem siehst du noch immer top fit und wie aus dem Ei gepellt aus
    es ist wahrscheinlich der top gepflegte Bart der dich so frisch erscheine lässt.
    Wir sind mittlerweile im tiefsten Anatolien angekommen und es wird auch mit Englisch
    schon sehr schwer….
    Morgen werden wir in Kappadokien ankommen und werden dann 4 Nächte bleiben
    um dann weiter ans schwarze Meer zu fahren
    Weiter gute Fahrt und guten Flug nach Hause
    Liebe Grüße
    Stefan und Michi

    • Anton Marschall

      Liebe Michi,
      Hola Stefan,
      Das heißt Konya, Göreme, …, Heißluftballon zeitig in der Früh. Klingt schon sehr verlockend.
      Nur für den Fall / wenn man für etwas vorsorgt, dann tritt es ohnehin nicht ein:
      Habe Bekannte in Kayseri, Motorradclub, BMW – sollte etwas notwendig sein, können die sicher helfen.
      So, jetzt passiert sicher nichts!
      Bei mir geht es dann in fünf Tagen wieder zurück nach Hause.
      Hoffe wir sehen uns irgendwann im Sommer in Wien!?
      Liebe Grüße, Toni

  2. Servus Toni, das war mal wieder ein toller Reisebericht und die Erlebnisse sind schon der Hammer. Weiterhin gute Reise und gute Erholung Zuhause. Wir fliegen im Juni für 5 Wochen nach Hause und machen etwas Heimaturlaub. Liebe Grüße Rita & Thomas

    • Anton Marschall

      Hi Rita,
      Hola Thomas,
      Sehe Ihr seid in Uruguay „gelandet“. Da habt Ihr schon eine ziemliche Strecke hinter Euch.

      Mache es ähnlich: Am 25.4. fliege ich zurück nach Wien. Sommer in Europa, im September wieder Südamerika.
      Vielleicht kreuzen sich unsere Wege?!?!
      Disfrutar
      Toni

  3. Franz Samide

    Danke wieder Toni, werde deine Ruta wieder auf der Bolivienkarte verfolgen…
    Franz

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