Bolivien – Ganz im Süden

9. Februar 2022

Auf dem Weg zum Salar de Uyuni noch schnell zur Tankstelle am Stadtrand. Das System ist nicht für Ausländer ausgelegt, daher kein Benzin. Ist immer wieder eine unleidige Geschichte in Bolivien: Das Benzin ist für Inländer subventioniert, Ausländer müssen den Normalpreis bezahlen, nicht alle Tankstellen verfügen über so ein System.
Ausländer werden relativ schnell erkannt, spätestens aber bei der Eingabe des Kennzeichens ins System.  Der Hinweis auf den höheren Preis oder die Ablehnung folgen dann sehr schnell. Sehr oft geht der Aufpreis dann jedoch nicht die vorgesehenen Wege!!! Auf dem Weg zum Salar eine kleine Tankstelle, neuer Versuch. Komme mit dem Tankwart schnell ins Reden, meine Reisen, sein Wohnort, … wir verstehen uns ganz schnell sehr gut und bezahle, trotz Hinweis auf den höheren Preis für Ausländer, den niedrigen Preis für Einheimische. Er hat das Geld nicht einmal für sich genommen!

Der Salar de Uyuni steht durch heftige Regenfälle in den vergangenen Monaten unter Wasser. So tief, dass lediglich LKWs einfahren können. Einige Kilometer mit Touristen auf der Ladefläche, für ein paar Fotos. Für mich keine Variante.
Bin relativ schnell, und vollkommen unvorbereitet, nach Bolivien gekommen, die Grenzen waren gesperrt und ich hatte in Ollagüe lediglich Glück. Ohne Plan, aber frei nach meinem Motto: Einfach Losfahren und bei jeder Kreuzung die Richtung entscheiden. Erster Halt etwas außerhalb von Uyuni beim Eisenbahnfriedhof – jedes Mal für gelungene Fotos gut. Lasse mich weiter nach Süden treiben – Tupiza. War schon einige Male da, die Stadt gefällt mir sehr. Sehr nettes Hotel, Silvia spricht perfekt Englisch – Das ist für bolivianische Verhältnisse außergewöhnlich, hat sie Autodidakt gelernt. Abendessen a la Casa, mit ihrem Mann tausche ich mich über die Strecken im Süden Boliviens aus – er ist normalerweise Tourguide, leider sind wegen der Pandemie seit zwei Jahren keine Touristen hier, daher arbeitet er in einer Motorradwerkstätte. Meine Fragen, ob es noch immer Benzin bei der Frau am Hauptplatz von San Pablo de Lipez und bei der Gemischtwarenhändlerin in Quetena Chico gibt, überraschen ihn, aber „Ja gibt es noch“. Ich solle jedenfalls bei beiden tanken – zur Sicherheit. Die Straßen sind durch die schweren Regenfälle der letzten Monate stark in Mitleidenschaft gezogen, einige Autos sollen weggespült worden sein. Er weiß nicht, ob man schon durchkommen kann.

Letztendlich beschließe ich danach meine weitere Tour: Lipez Sur. War jetzt schon einige Male da, ist aber eine der schönsten Strecken für mich. 1.000 Kilometer Schotterstraßen, ohne Tankstelle, kaum Infrastruktur. Vor San Vicente die Abzweigung nach San Pablo de Lipez. Google Maps kennt den Weg noch immer nicht, was mich freut, da damit nur Einheimische in überschaubaren Ausmaß unterwegs sind. Bin jetzt zum wiederholten Male da, die Landschaft überwältigt mich nach wie vor – einzigartig! Die Schäden an den Straßen durch die Regenfälle der vergangenen Monate sind schon merkbar, aber keine große Hürde, bis … eine Flussquerung, die geht gar nicht.

Obwohl ich bis jetzt niemanden getroffen hatte, sehe ich im Rückspiegel eine Staubwolke und wie ein Motorradfahrer etwa einen Kilometer hinter mir in die Büsche abbiegt, so do I! Im Slalom den Spuren nach, so komme ich an eine Stelle, in der der Fluss in mehrere kleine Bäche unterteilt ist, jeden Einzelnen kann ich mit etwas Adrenalin durchfahren. Der Motorradfahrer hat am anderen Ufer angehalten, beobachtet wie ich mich durchkämpfe. Nettes Gespräch, er zeigt mir auch seine Videos von den schweren Regenfällen und wie mehrere Autos, LKWs an dieser Stelle weggespült wurden. So treffe ich einen Augenzeugen und Hilfeleistenden dieser zuvor beschriebenen Situation.

Landschaft und Gegend werden immer besser, bis auf 5.000 Meter Seehöhe, der Weg immer schlechter. Etwas unvorsichtig fahre ich in eine „feuchte Stelle“ ein, tiefer Matsch, bleibe einfach stehen – also das Motorrad steht im Dreck, von allein. Es sind nur ein paar hundert Meter, aber mit den 350 Kilogramm doch etwas schwer. Koffer abladen, rüber tragen. Versinke fast knietief im Gatsch, suche nach einer möglichen festeren Passage. Die kann ich dann auch ausloten. Motorrad umschmeißen und mühevoll aus dem tiefen Gatsch in den festeren Matsch herausdrehen. Dauert seine Zeit, auch die Luft ist dünn, aber mit Geduld geht das.

Bin danach nicht mehr ganz gesellschaftsfähig, aber, wie meist bei solchen Aktionen, irgendwie zufrieden. Die Straße wird nicht besser, ich genieße aber jeden Kilometer. In San Pablo de Lipez war ich vor einigen Jahren in einer privaten Unterkunft, mit einem Zimmer, abgestiegen. Der Besitzer hat damals Adobeziegel selber angefertigt und Mauern aufgestellt, jetzt sind einige nette Zimmer daraus geworden. Bin trotzdem der einzige Gast. Seit Ausbruch der Pandemie ist der Tourismus vollkommen eingebrochen.

Auch fünf Liter Benzin hat er abzugeben, die nehme ich ungeschaut. Von San Pablo, vorbei an der Geisterstadt San Antonio nach Quetena Chico. Der Vulkan Uturunku kommt für einige Stunden ins Bild – Erinnerungen kommen hoch, möchte aber kein zweites Mal auf den Berg! Obwohl die Strecke auch hier in einem bemitleidenswerten Zustand ist, komme ich gut voran. Vor Quetena die Kontrollstelle bei der Einfahrt zum Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa. Auch hier nichts los, die Einträge im Besucherbuch sind mehr als spärlich. Nettes Gespräch mit dem jungen Nationalparkwächter, die obligate Frage nach Benzin: Auch er kann mir fünf Liter abgeben – damit sind die 800 Kilometer abgehakt.

Bin früh dran und beschließe weiter zur Laguna Colorada zu fahren. Der Weg ist fast „autobahnartig“, kannte ich so noch nicht, alles neu. An der Laguna Colorada gibt es so etwas wie eine „Hostalsiedlung“, relativ große Unterkünfte mit vielen Zimmern auf einem Fleck, schaut trotzdem etwas leer aus. Letztendlich haben lediglich zwei geöffnet. In dem Hostal in dem ich absteige bin ich der einzige Gast. Bevor die Besitzer abfahren werde ich noch mit einem Abendessen versorgt – Suppe mit vielen Einlagen, Brot und mit den Gepflogenheiten vertraut gemacht – wie ich Frühstück machen kann, … wenn ich wegfahre soll ich einfach den Schlüssel für das Hostal auf dem Tisch liegen lassen und die Tür zu machen. Dann bin ich allein. Genieße die Zeit als „Betreiber eines Hostals“ 😉.

Zum Arbol del Piedra, immer wieder eines der Highlights meiner Reisen. Ganz allein, bleibe einige Stunden und genieße den Ort. Etwas weiter hat das bolivianische Militär zwei besetzte Stellen errichtet – kannte ich auch noch nicht. Bin den Weg jetzt schon einige Male gefahren, immer tiefer Sand, sehr tiefer Sand. Jetzt ist die Strecke recht gut angelegt, dort wo ich früher kaum Schrittgeschwindigkeit „fahren“ konnte geht es jetzt zügig dahin.

Treffe auf einen 4×4 mit einigen Touristen, für die bin ich ein Fotoobjekt – sehr gerne. Der Besitzer des Hostals hatte mir gestern noch erzählt, dass heute drei Autos ankommen würden. Vorbei an den drei Lagunen im nördlichen Streckenabschnitt, die Hotels sind alle geschlossen. Halt am neuen Militärposten: „Welche Strecke führt am besten zur Ruta 5?“ Auch die ist neu. Wenn man die zwei „Umfaller“ im tiefen Sand außer Acht lässt komme ich gut voran, bis: „Die Flussquerung schaffe ich ganz sicher nicht.“ Das ist viel zu tief. Während ich noch etwas überlege, denke ich noch: Da sollten doch noch zwei andere Autos kommen! Und: Ein Toyota Land Cruiser biegt um die Kurve, durch den Fluss. Das Wasser geht dem Auto bis über die Motorhaube.

Wie in Bolivien üblich und kaum anders vorstellbar die obligate Frage nach Hilfe: Wie geht s bei mir? Wie können sie helfen? Zuerst: Stecke im Gatsch fest, also heraus schieben, ziehen. Das ist einfach, auch die Fahrgäste helfen mit. Weiters: Gibt es eine alternative Route? Die gibt es, der Fahrer fährt vor, nach einigen Kilometern zeigt er mir die Abzweigung, bei der ich ohne Flussquerung zur Ruta 5 komme. Freundliche Verabschiedung. Gelange letztendlich an eine ziemlich breit angelegte Straße, für mich und auch das GPS neu. Auch das dritte Auto kommt mir nun entgegen. Bei der Einfahrt zu Ruta 5 kann ich dann sehen:
Es wurde eine neue, gut ausgebaute Straße zur Laguna Colorada mitten in die Landschaft gelegt – gut für den Tourismus, wenn er denn wieder losgeht …

… schlecht für mich. Wahrscheinlich einer der letzten Fahrten in diese, bis dahin einzigartige, Gegend. Hinter mir geht gerade die Welt unter – ein heftiges Unwetter zieht binnen Minuten auf, immer hart am Rande des Regens und Hagels, schaffe es ohne nass zu werden nach Uyuni.

Etwas Wehgefühl und Abschiedsschmerz kommt auf.

6 Kommentare zu “Bolivien – Ganz im Süden

  1. Wieder mal ein toller Bericht 🏍😎🤙

    • Anton Marschall

      Hi Thomas,
      Danke für Deinen Kommentar – immer eine Freude von Dir zu lesen.

  2. Hallo lieber Toni !
    Danke für diese atemberaubende Schilderung, wir könnten solche Touren nicht schaffen.
    Allein beim Lesen bleit uns schon der Mund offen.
    Weiter gute Reise und guten Flug nach Haus
    Grüße von der Insel Chios
    Stefan und Michi

    • Anton Marschall

      Sas Efcharisto
      … macht von Mal zu Mal mehr Spaß. Ist es am Anfang noch das Neue, das Unbekannte, kann ich jetzt die vielen Eindrücke viel besser aufnehmen und genießen.
      Denke Ihr seid auf dem Sprung in die Türkei 🇹🇷, da beneide ich Euch darum!

  3. Bruno Züger

    Lieber Toni, welch eine spannende Reise. Bis wir mit unserem Beast soweit sind, dauert es noch eine Weile. Immerhin rückt die Pension rückt näher ;-). Allerdings werden wir solche Strecken kaum bewältigen können. Da ist ein Motorrad oft überlegen.
    Deine Berichte sind wie immer sehr eindrücklich.

    Viel Spass und gute Reise

    • Anton Marschall

      Hoi Bruno,
      Schön von Dir zu lesen. … und dass Du gedanklich schon so nah dran bist.
      Ich spüre schon immer mehr, dass es mit dem Bike kräftezehrend ist – denke schon an 4 Räder.
      Man muss noch relativ wenig besuchte Gebiete mit der Lupe suchen, aber es gibt sie noch.
      Liebe Grüße aus Argentinien in die Schweiz, Toni

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