Der Pass von Tadschikistan nach Kirgisistan ist vom Winter ziemlich mitgenommen, Bäche laufen über die Erdstraße, tiefe Spurrillen, Matsch. Von einer Grenzstelle zu anderen sind es etliche Kilometer, fast eine Stunde. Ich bin noch immer mit Sigrid und Paul unterwegs, die Grenzformalitäten dauern ziemlich lange, obwohl nur wenige Autos warten. Finde es aber trotzdem nett, dass sich der Zöllner für die lange Wartezeit entschuldigt. Wir haben noch kein Nachtquartier und ich fahre voraus um zeitgerecht im nächsten Ort zu sein, eine mögliche Unterkunft hätten wir auf maps.me gefunden. Als ich ankomme ist es leider geschlossen, ich warte auf die Beiden und gemeinsam zum Nächsten. Es ist eine Gemeinschaftsunterkunft, vier bis sechs schlafen in einem Raum, teilweise Stockbetten, es sind aber noch genau drei Plätze frei – wir fragen, ob es andere Unterkünfte gibt?! Gibt es nicht, also ziehen wir ein. Abendessen wird auch serviert, einfach, aber es ernährt. Mit den Ohropax schlafe ich ganz gut.
Es hatte schon bei der Ankunft am Abend geregnet, und so blieb es die ganze Nacht über. Am Morgen war es nebelig, aber der Regen hatte aufgehört. Sarytasch liegt auf 3.200 Höhenmeter, Richtung Osch geht es über die Berge. Eigentlich eine wunderschöne Berggegend, durch den Nebel ist es aber grau in grau. Die Landschaft in Kirgisistan sind grüne Berge, entlang der Straße sind viele Jurten, aber auch Eisenbahnwaggons mitten im Grünland. Ich lerne, dass viele Kirgisen aus Kostengründen in solchen Waggons wohnen!? In Osch machen wir noch einen kurzen Abstecher zu Muztoo, ein Motorradtreffpunkt für Reparaturen, Ersatzteiltransport, Touren, gegründet von Schweizern und sehr zuverlässig. Abendessen in „dem“ Grillrestaurant von Osch. Ein deutsches Pärchen gesellt sich uns dazu. Schaschlik als Hausspezialität. Ich frage nach der „Empfehlung des Hauses“ – Mixed Grill. Die anderen Vier haben ihr Essen schon lange erhalten, meines fehlt noch. Etwas mitleidig bieten sie mir von ihren Tellern an … Als der Kellner mit einer riesigen Schüssel die Stiegen heraufkommt sind sie richtig gebannt, als er die Schüssel auf unseren Tisch stellt sind sie sprachlos, die Portion ist so etwa für acht Personen! Erst sprachlos und dann können wir uns vor Lachen kaum halten. Paul meint, er wird das sein ganzes Leben nicht vergessen, so eine riesige Portion hat er noch nie gesehen, Fotos, WhatsApps, … Auch wenn wir ordentlich Spaß haben bin ich eigentlich „angefressen“, wie wir in Österreich sagen. Es haben bereits alle gegessen und von dem was ich esse, kann man auf der Platte nicht einmal erkennen, dass etwas fehlt … auch wenn ich denke, dass es die Sprachschwierigkeiten waren. Übrigens, waren es nicht! Wir waren am nächsten Tag mit einem weiteren deutschen Motoradpärchen noch einmal in dem Restaurant und ein anderer Kellner hat den beiden ebenfalls die riesige Platte empfohlen, also ganz und gar keine Sprachschwierigkeit.
Bei Muztoo wollte ich die Reifen wechseln, hatte aber schon am Pamir ein Leck im hinteren Stoßdämpfer diagnostiziert. Denier nahm sich der Sache an. Zuerst die Idee, dass man den Stoßdämpfer reparieren könnte, die Anrufe bei den einzelnen Spezialisten waren aber erfolglos. Auch der Versuch einen Dämpfer von einer 800 BMW einzubauen scheiterte aufgrund der unterschiedlichen Lochbohrungen. WhatsApp mit BMW Wien, die können einen Stoßdämpfer binnen drei Tagen besorgen. Chat mit Geri – der organisiert den Transport über einen Bekannten – in acht Tagen kann das Teil von Wien in Osch sein – passt! Noch den Vorderreifen erneuert – das Geschenk aus Astrachan, mit Schlauch, da ich noch immer mit der verbogenen Felge (siehe Kasachstan) unterwegs bin. Zurück zum Hotel, plane bereits im Kopf die Tour für die nächste Woche um zeitgerecht wieder in Osch zu sein, wenn die Ersatzteile kommen. Auf dem Weg zum Hotel ein sehr schwammiges Gefühl – Platten am Vorderrad! Kompressor raus, komme mit viermal Aufpumpen zurück zu Muztoo – die gute Nachricht: Denier ist noch da, die schlechte: Der vordere Stoßdämpfer tropft nicht nur, der rinnt förmlich. Beginne zu überlegen: Die Kosten für die Ersatzteile, der Transport, die Wartezeit und dass die nächsten 80.000 Kilometer mit dem Motorrad wahrscheinlich nicht möglich sind => das macht keinen Sinn. Paul hatte mir die Kontaktdaten von dem Motorradtransport aus Polen gegeben – Sambor. Den kennt man auch bei Muztoo, im August werden zwei Motorräder von Osch nach Bishkek überstellt und dann weiter mit dem LKW nach Polen transportiert, Videocall auf gut Glück – und Sambor hebt tatsächlich ab! Wir besprechen die groben Details, Kosten, Übergabeort und ich beschließe mit dem Motorrad noch so lange es geht zu fahren. Ab dem Zeitpunkt wo es nicht mehr geht biege ich einfach nach Bishkek ab, die BMW mit dem LKW und ich mit dem Flieger zurück. Blase die Aktion bei BMW und bei Geri ab, obwohl Geri schon geistig voll in Aktion war …
Von Osch über Dschalalabad in die Berge, mitten drin: Die rote Alarmanzeige! Reifendruck hinten. Seit der Reparatur des hinteren Stoßdämpfers leuchtet die gelbe Anzeige ständig, daran hatte ich mich aber schon gewöhnt. Den Nagel den ich heraushole ist über zehn Zentimeter lang! In Kazarman treffe ich in einem Guesthouse Paul und Sigrid wieder, so fahren wir auch die nächsten Tage zusammen, wunderschöne Naturstraßen über beeindruckende Berge. Nächtigung am Song Kol Lake, auf 3.000 Meter ein Jurtcamp. Weil es in der Nacht empfindlich kalt ist wird in jeder Jurte ein kleiner Kohlenofen eingeheizt – schlafe ausgezeichnet. Sigrid hat in der Früh noch einen platten Hinterreifen, wird mit Schaum abgedichtet und hält. Der vordere Dämpfer geht dem Ende zu, ich stelle kurzerhand das Navi auf Bishkek, Abschied von den Beiden und die letzte Etappe. Stelle die BMW beim vereinbarten Ort in einem Hotel in Bishkek ab, Rückflug am nächsten Tag.
So sitze ich einen Tag nach der Übernachtung in einer Jurte, mitten in Kirgisistan, im Flieger und bin einige Stunden später zu Hause. Sambor hatte mir noch gesagt, dass der LKW im Juli schon voll ist und der Rücktransport für mein Motorrad daher erst im August sein wird. Meine Überlegungen konkretisieren sich bereits im Flieger: Neues Motorrad kaufen und neue Tour nach Skandinavien, da ich nur ein Motorrad in die „Zollunion Russland“ einführen kann und Kirgisistan ist Teil dieser Zollunion, oder wenn es sich irgendwie ergibt doch noch über Russland in die Mongolei…
We will see …
Hallo lieber Toni wieder mal ein super Bericht bin immer wieder begeistert von deinen Erzählungen. Wir fahren morgen nach Kirkines ist nur 8km von der russischen Grenze entfernt. Liebe Grüße und weiter gute Reise Stefan und Michi