Russland – Über Sibirien nach Hause

Die Straßen in Russland sind sehr gut ausgebaut, finde auf der gesamten Fahrt sehr gute Bedingungen, lediglich durch viele Baustellen unterbrochen. Auf der Baikal-Amur-Magistrale, BAM, bis Irkutsk. Danach über die Sibir nach Krasnojarsk, Novosibirsk, Omsk … tausende Kilometer entlang der Transsibirischen Eisenbahn. Irgendwo an der Sibir wieder ein Stau, fahre vor bis ich bei einer Baustelle vom obligatorischen Bauarbeiter mit Kelle angehalten werde. Er spricht mich auf Russisch an. Ich: „!не понимаю русский“. Er: „You speak english“? Ich: „Auch nicht, deutsch! Er: „Ah, Bayern München“?!  Ich: „Nicht ganz, Austria“. Er: „Ah, Ich liebe Kurt, ich bin ein Fan von Kurt“! Ich: „?!?!“. In meinem Kopf geht’s rund: Kurt, Kurt?!? Und eher unsicher frage ich: „Kurt Hauenstein? Supermax?“. Er: „Ja, Kurt, ich liebe Kurt“! Ich: „Aber Kurt ist tot“! Er, mit Blick nach oben: „Ja, Kurt ist tot, aber er fährt mit dem Motorrad seine Kurven im Universum“. Mir ist klar: Er weiß wovon er spricht! Kurt Hauenstein war der Gründer des Projekts „Supermax“, ein begeisterter Harley Davidson Fahrer und Sympathisant der Hells Angels. Für die Angels war er eine Gallionsfigur, sein Sarg wurde von sechs Mitgliedern, neben seinem Freund Falco, zu Grabe getragen. So unterhalte ich mich vor einer Baustelle in Sibirien über den österreichischen Musiker Kurt Hauenstein, Supermax!

In Omsk halte ich vor einem Mini-Hotel, mitten in einer Wohnhausanlage. Am Gehsteig einige junge Burschen, während ich absteige kommt einer herüber und sagt etwas perplex: „Da hinten ist eine Waschanlage“, streicht mit dem Finger über den, zugegebenermaßen nicht ganz sauberen,  Kotflügel. Frage wo sie herkommen: Kasachstan. Ich bedanke mich, für den Tipp, lasse das Motorrad auf der Straße stehen und gehe unbeschwert zum Hotel. Einen bewachten Parkplatz haben sie nicht. Kein Problem, wenn nicht einmal Kasachen das Motorrad gefällt, ist es auch auf der Straße sicher.

Übrigens: Die BWM ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal zwei Monate alt. Ich überlege mir, wie es aussehen würde, wenn es neben einem gewaschenen und polierten Bike, mit goldenem Rahmen und Felgen stehen würde?! => und wie lange dieses dort stehen würde?
In Chelyabinsk treffe ich Yanis und Edgar wieder, die beiden haben ihre Wurzeln im Kaukasus. Wir treffen uns zum Abendessen in einem georgischen Restaurant – Khinkali. Yanis und Edgar haben für mich einen Vorderreifen organisiert. Es sind noch viertausend Kilometer bis nach Hause und der Reifen ist schon ziemlich abgefahren.

Für den nächsten Tag vereinbaren wir Grill bei Edgar. Zwei Kilogramm King Prawns, riesige Dinger, aus Argentinien! Edgar hat noch drei Kilogramm Fleisch für Schaschlik besorgt, wir sind zu Dritt!!! Das Haus von Edgar liegt etwas außerhalb von Chelyabinsk, tolles Barbecue. Er hat auch das Banjo angeheizt, so komme ich auch noch in den Genuss eines echten russischen Banjos. Damit konnte ich auf dieser Reise fast alle erdenklichen klischeebehafteten Erlebnisse abschließen.
Samara, eine weitere beeindruckende Stadt an der Wolga, und Rjasan, eine alte Fürstenstadt, sind die letzten Stationen meiner Fahrt durch Russland.

Noch eine Übernachtung in Rschew und dann die Grenze zu Lettland. Die russische Abfertigung ist nach einer knappen Stunde erledigt und ich freue mich wieder zurück nach Europa zu kommen. Auf der lettischen Seite muss ich Angaben über meine Gepäck, Geld machen. Ich habe noch die Zigarren und Zigarillos von meiner Ausreise bei mir, etwa fünf Zigarren, dreißig Zigarillos, notiere ich auf dem Formular ohne weiter nachzudenken – Einfuhr in Europa sind fünfzig Zigarren und vierhundert Zigaretten oder Zigarillos zulässig. Die Dame bei der Zollkontrolle sieht das anders: Sie durchsucht mein Gepäck, findet statt der von mir angegeben dreißig Zigarillos nur achtundzwanzig, fragt warum ich eine falsche Angabe mache … bin etwas verwirrt, aber: Ich muss dazulernen: Lettland hat abweichend von den EU- Regeln die Einfuhr mit fünf Zigarren oder vierzig Zigaretten oder zehn Zigarillos beschränkt!? Ich muss die überzähligen verzollen. Dass ich sie aus Europa, an diesem Zollübergang ausgeführt habe interessiert sie nicht. Sie geht mit eiligem Schritt siegesbewusst vor zum Zollamt. Übergibt mein, wie von ihr angewiesen, auf achtundzwanzig Zigarillos, richtiggestelltes Formular am Schalter ab. Vor ihrem Abgang erklärt sie mir, dass ich mit der bezahlten Zollerklärung meinen Reisepass wieder bei ihr zurückbekomme. Denke mir noch: O.k., kein Problem. Blicke mich um, es warten schon mehrere Leute hier!? Bei allen geht es um einige Zigaretten über dem Limit. Setze mich dazu und warte. Nach zehn Minuten frage ich am Schalter nach was mit meinem Formular ist? Die Dame am Schalter erklärt mir einfach: Das System ist abgestürzt und funktioniert nicht, es können keine Verzollungen durchgeführt werden!? Ich erkläre ihr, dass ich die Zigarillos gerne vernichte und weiter fahren möchte. Sie meint, ich könne sie gerne vernichten, bezahlen muss ich trotzdem. Ich antworte: Gut dann bezahle ich eben. Sie: Das geht jetzt nicht. Komme mit einigen Wartenden: Russen, Kasachen, … ins Gespräch, sie kennen das und sind daher nicht besonders überrascht: Das ist hier immer so, schmunzeln eher mitleidig, besser ist der Übergang von  Russland nach Estland, etwa zweihundert Kilometer nördlich. Letztendlich muss ich drei Stunden warten ehe das System wieder funktioniert und ich ganze drei Euro und zweiundfünfzig Cent Zoll bezahlen darf! Riesiger Papierberg inklusive. So habe ich mir die Rückkehr nach Europa nicht vorgestellt. War schon bei der Ausreise etwas überrascht über die komplizierte, langwierige Abwicklung, die Einreise schlägt dem Fass den Boden aus, ich geniere mich als Europäer in Europa einzureisen.
In Warschau treffe ich Pawel bei einem kurzen Halt in meiner alten Firma, freue mich ihn wieder zu sehen und über die Entwicklung der Gesellschaft. Am nächsten Tag wieder daheim.

1 Kommentar zu “Russland – Über Sibirien nach Hause

  1. Bruno Züger

    Lieber Toni
    Ich freue mich immer wieder von dir zu lesen. In jedem Artikel verfolge ich parallel in Google Maps ;-), wo du durchgefahren bist.
    Jetzt wo du wieder zu Hause bist, wird es wohl eine Weile dauern bis zum nächsten Artikel. Weisst du schon in welche Welt-Gegend es dich verschlagen wird?

    Alles Gute und liebe Grüsse.
    Bruno Züger

    PS: Solltest du auch in der Schweiz einen Vortrag halten würde ich mich über eine Nachricht freuen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.