Las Vegas ist ein reiner Ferienwohnung–Ort, im Oktober sind fast keine Gäste, viele Lokale haben geschlossen. Foto am Bike mit dem Hausherren, kräftiger Händedruck und ab Richtung Anden. Ziel ist Uspallata, dort hatte ich letztes Jahr Martin kennengelernt. Martin ist aus Baden bei Wien und lebt seit fast zehn Jahren in Argentinien. Bei meinem letzten Treffen hatte er mir berichtet, dass er Land besetzt hat und ein Haus baut. Im Zentrum von Uspallata treffe ich Kai, er ist aus Hamburg und ich hatte ihn bereits im letzten Jahr mit Martin getroffen, auch heute ist er am Plaza und verkauft seine Souvenirs. Martin kommt nur mehr sehr selten in den Ort, er ist mit Hausbau beschäftigt. Kai weiß in etwa wo das Grundstück von Martin ist, es liegt einige Kilometer außerhalb, einen Weg in Richtung einer Allee und über einen Fluss. Ich finde nach einigen Fehlversuchen den richtigen Weg – Martin ist zu Hause – herzliche Begrüßung und Wiedersehensfreude. Seine Partnerin arbeitet für Volksschulen und unterrichtet die Kinder in „Theater“. Das Haus ist mittlerweile am Werden, der Keller ist fast fertiggestellt, die Kellerdecke in Arbeit. Martin möchte bis Weihnachten in den Neubau einziehen, derzeit wohnt die Familie in einem Wohnwagen, einige Adaptionen für Warmwasser, Strom sind bereits vorhanden. Wir trinken Mate Tee, Martin erzählt von seinen Erlebnissen der letzten eineinhalb Jahre – Aushub, Kellerbau, besetztes Grundstück und wie es weiter gehen soll, die beiden Kinder, wie sie über den Winter kommen, … In Mendoza wurde er erst vor einigen Monaten überfallen: Unter der Jacke einen Note book, ein Motorrad mit zwei Burschen stoppt, einer hält ihm eine Pistole an den Kopf, verlangt den Note book, er händigt ihm den Computer aus, dreht sich um und geht weg. Er ist froh den Vorfall heil überstanden zu haben und vermutet, dass es sich um Drogenabhängige gehandelt hat – die sind einfach unberechenbar. Für mich bestätigt sich, dass der Ruf von Mendoza nicht so falsch ist …
Mit zwei Musik CD´s von Martin im Gepäck, WhatsApp, Emailadressen, … verabschieden wir uns, bis zum nächsten Mal! Die nächsten dreißig Kilometer bin ich bereits letztes Jahr gefahren, im geschotterten Teil hatte ich den ersten Reifenschaden, jetzt möchte ich über die Ruta 153 nach San Juan. Die ersten Kilometer der Ruta 153 sind noch halbwegs „befahrbar“, nach 30 Kilometer drehe ich um, tiefe Verwehungen von Sand machen die Fahrt nicht gerade zu einem ausgeprägten Spaßfaktor. In Barreal finde ich ein sehr nettes Cabanas, eine Farm wurde zu Ferienhäusern umgebaut und ich beziehe ein riesiges Haus, zum Preis eines Hotelzimmers, die sind alle belegt.
Über Calingasta die Ruta 412 nach Bella Vista, auf der Strecke kommen mir zwei Motorräder entgegen, im Rückspiegel sehe ich das Schweizer Kennzeichen, stoppen, umdrehen. Es ist ein junges Schweizer Pärchen, Estelle und Adrien. Sie sind seit vier Monaten in Südamerika unterwegs und in der Hälfte ihrer Tour. Die beiden BMW GS 800 haben ihnen bereits viele Sorgen bereitet, es ist fast immer eine Panne an der Tagesordnung, dabei sind es keine Kleinigkeiten: Die Lichtmaschine, die Regler, verlorene Schrauben am Kettenritzel, gebrochene Rahmen, … Sie hoffen, dass sie damit alle Probleme für den zweiten Teil ihrer bereits hinter sich gebracht haben ?! … Die besten Wünsche mögen sie begleiten! Wir tauschen die Kontaktdaten aus und wünschen uns das Beste für unsere Touren – die Beiden haben Ushuaia als das Ziel Ihrer Reise bis März 2017. Die Landschaft ist Wüste, nur Sand und Gestein, keine Flora. Nicht einmal die üblichen vertrockneten Kleinsträucher wachsen hier – ein Pick-up überholt mit … Surfbrettern auf der Ladefläche?! In Los Flores zweigt die Straße zum Paso Agua Negra, das Schild an der Straße lässt keine Zweifel, der Pass ist gesperrt, durch Rodeo, plötzlich ein riesiger grüner Bergsee vor mir, heftiger Sturm. Hier wird gesurft! Mitten in der Wüste! Der Sturm ist so stark, dass ich mich heftig dagegen lehnen muss, jede Kurve ist eine Herausforderung. Der starke Wind begleitet mich bis San Jose de Jachal, dort finde ich ein nettes Hotel. Das Zentrum ist gerade im Umbau, der gesamte Platz ist aufgerissen und eine riesige Baustelle. Ich bin ziemlich müde und gehe nach dem Abendessen bald in Bett.
Von Jachal über die Ruta 50 nach Parque Ischigualasta – Valle de Luna. Die Ruta 150 ist ein Leckerbissen, langgestreckte Kurven, wunderschön in die Berge gelegt. Nach langer Zeit bekomme ich wieder das Gefühl für richtiges Kurvenfahren, ich überhole eine Gruppe Motorradfahrer, Gruß mit der Hand und weiter. Drei der Biker hängen sich dran und wir ziehen schön gleichmäßig, mit hoher Kurvengeschwindigkeit auf den Berg – ein richtiges Motorradfeeling kommt in mir auf, Schwingen ohne Ende … beim Parque Ischigualasta halte ich an, ein Biker ist dicht dran und bleibt auch stehen. Wir begrüßen uns und so lerne ich Nito kennen. Die anderen Motorradfahrer kommen nach, wir vereinbaren eine Einkehr beim Restaurant im Parque Ischigualasta. Sie sind aus San Juan und auf einer Tagestour – Kaffee, Baguette, Getränke, Erzählungen, meine Reise, Besuch im Museo bei den Sauriern … ein netter Tag nimmt seinen Anlauf. Sie überreden mich nach San Juan mitzukommen, dort könne ich bei ihnen nächtigen, wir machen Asado – sind ja nur gerade mal 300 Kilometer … Das machen wir dann auch und wir verbringen einen traumhaften Abend am Swimming Pool mit Asado, Cervesa und Geschichten – Die Geburtsstunde der „Ischigualasta Octubre 16“ WhatsApp Gruppe! Tourentipps von Ortskundigen: Las Chacras mit Kondoren auf den Leitungsmasten, ganz aus der Nähe. La Carolina, Mina Clavero, von Taninga über die Berge nach Tanti. Nächtige im Haus von Ermanno, er wohnt bei seiner Freundin.
Die Tourenvorschläge sind wirklich etwas Besonderes, wunderschöne Landschaften, ein Highlight sind die Kondore auf einer Anhöhe über dem See von Las Charcas. Auf einem Leitungsmast sitzen etliche Geier und ziehen auf Futtersuche ihre Kreise. Mitten auf Straße sitzen 5 – 6 dieser Vögel um einen Kadaver, einer lässt sich von mir nicht stören und frisst gemütlich weiter. Ich konnte noch nie Kondore in der Wildnis und so nah sehen, auch der typische Geierkopf ist ganz deutlich sichtbar und wirkt etwas ungewöhnlich für mich. In Villa Dolores nächtige ich im Hotel Mountains. Am nächsten Tag geht ein unglaublicher Sturm über San Juan, Nito schickt mir ein Foto aus der Stadt, derzeit ist eine Weiterfahrt nicht möglich. Gegen Mittag lässt der Sturm nach, die Fahrt von Taninga nach Tanti führt über schöne Bergstraßen, etliche Kondore am Weg. Im Hotel Tanti Spa bin ich der einzige Gast, es gibt sehr viele Hotels, Cabanas, … die Saison ist aber noch nicht am Laufen. Spa, Zigarre am Pool, relaxen.
Die Strecke von Tanti nach Recreo gibt nicht besonders viel her, in der Umgebung von Cordoba ist starker Verkehr, danach flaches Gelände, über einen Salzsee. Abendessen in Recreo, die Besitzerin fragt wo ich her komme, ihr Vater ist Deutscher, Schulz, und nach dem Krieg nach Argentinien gekommen. Ihre Freundin hätte auch deutsche Wurzeln, das wird von dieser energisch bestritten, ihr Vater ist Austriaco! Woher: Aus „Ferlatsch“. Suche „Ferlach“ im Google – genau, das ist es! Sie sprechen beide kein Wort deutsch oder englisch und waren auch noch nie in Europa…
Über La Merced, Paso Singuil zur Cuesta de La Chilca – der spezielle Leckerbissen des heutigen Tages, auch ein geplantes Ziel meiner Tour. Kondore, Pässe, abwechslungsreiche Strecken und die Cuesta de La Chilca, eine besonderer Pass – Naturstraße, wie in den Berg gemeißelt. Froh und zufrieden komme ich in Andalgala an. Einfaches Hotel, Abendessen beim Pizzastand.
Nach dem Frühstück: Die Abkürzung direkt über die Berge Richtung Norden muss ich sehr bald abbrechen – die rote Lampe leuchtet wieder einmal auf – zu wenig Reifendruck hinten. Zurück nach Andalgala, Gomeria, Hinterrad ausbauen, im Wasserbecken ist die schadhafte Stelle schnell gefunden, aufbohren, Klebestreifen reingedrückt, hält: 3.- €, passt! Die „Abkürzung“ direkt über die Berge hat sich als ziemlich aufwändig präsentiert, ich wähle die herkömmliche Route über Belen, Tagesziel: Nun schon zum dritten Mal auf meinen Touren: Cafayate, der Weinort in bester Lage. Im Hotel treffe ich Eduardo Kliemann mit seinem Vater, sie sind Brasilianer und auf Tour durch Argentinien – die Ninja von Kawasaki ist nicht wirklich geeignet für Schotterstraßen, Eduardo hat viele gemeistert, so auch die Cuesta de La Chilca, die sehr anspruchsvoll ist. Sie werden auch noch den Abra del Acay fahren, die „höchste“ Passstraße Amerikas und ebenfalls sehr ausgesetzt.
Von Cafayate nach Norden Richtung Cachi, durch die Quebrada de las Flechas, über Los Molinos zur Camino de los Colorados und über die Cuesta del Obispo nach Salta – Bilder sagen mehr als Worte …
Während meiner ersten Tour hatte ich in Salta aus Zeitgründen nur kurz angehalten, jetzt bleibe ich zwei Nächte. Die Stadt hat vieles zu bieten: Märkte, Geschäftsstraßen, Cafeterias, Kirchen, Museen.
Über die Ruta 51 Richtung Paso Sico, kurz vor dem Pass biege ich ab, Richtung Salar de Pocitos. Etwas östlicher bin ich vor einem Monat in Richtung Antofagasta de la Sierra gefahren, jetzt ist mein Ziel Tolar Grande und weiter über den Paso Socompa nach Chile. Die Strecke nach Tolar Grande ist ein weiterer Höhepunkt, über eine weite Flächen biegt man in eine vollkommen in Rot gehaltene Bergwelt ein – La Puna ed Tolar Grande, über La Pista di Terra Rossa. In Tolar Grande sind alle Cabanas ausgebucht, ich finde ich ein nettes Hostal. Bei der Tourismusinformation treffe ich zwei Franzosen, sie sind aus Paris, eigentlich aus Versailles. Sie helfen mir bei der Übersetzung: Der Paso Socompa ist bereits seit acht Jahren geschlossen und nicht passierbar – das stimmt mit den Angaben im Internet auf gendarmeria.gov nicht überein, aber auch in der Municipal bekomme ich diese Auskunft. Insgesamt sollen pro Jahr 3.500 Gäste in Tolar Grande nächtigen, die Ortschaft wurde vollkommen auf Tourismus getrimmt, etliche Häuser wurden als Ferienwohnungen umgebaut und werden als solche vermietet. Die Sehenswürdigkeit sind vor allem die beeindruckende Landschaft, Salare, Geisterstädte = aufgelassene Minen. Beim Einkaufen treffe ich noch auf eine Schweizer Gruppe, die mit einem 4×4 Wagen und Fahrer vier Wochen durch den Norden Argentiniens reist. Am nächsten Tag noch einmal zur Municipal – ich brauche Benzin, und den gibt es auf dem Gemeindeamt.
Die Gemeindesekretärin geht mit mir zum Lager, dort bekomme ich zehn Liter vom feinen Gasolina super. Ich mache mich auf in Richtung Paso Socompa, der Weg führt über den Salzsee Alizaro in Richtung der aufgelassen Mina Casualidad und der Geisterstadt, ich zweige vorher in die Berge ab, Richtung Aleman Muerto, wo in den dreißiger Jahren der deutsche Seemann Karl Wilmer beim Versuch sein Schiff in Buenos Aires wieder zu finden die Anden überquerte und dabei zu Tode kam.
Siehe auch Website: http://www.spiegel.de/reise/fernweh/suedamerika-per-motorrad-seemannsgrab-in-der-wueste-a-714136.html
… vorbei an der aufgelassenen Bahnstation Caipe.
An den Spuren auf der „Straße“ erkenne ich, dass es seit Wochen keine Fahrzeuge hierher getrieben hat und der Pass offensichtlich geschlossen ist. Ich kehre um, fahre direkt zum Paso Sico und passiere die Grenze zu Chile. Auf Höhe des Passes treffe ich auf zwei Radfahrer, ein junges Pärchen, die obligate Frage: Woher kommt Ihr? Aus Paris, aber eigentlich aus Versailles … Schon wieder, wenn alle aus Versailles hier in Südamerika sind, wer ist dann noch in dem französischen Ort? Sie sind seit einigen Monaten auf der Fahrt und möchten nach Ushuaia – ich habe bereits bis jetzt etliche Radfahrer getroffen, es werden noch viele mehr, aber: Die wollen alle bis März nach Ushuaia! Das wird eng dort (;-)). Sie haben auf chilenischer Seite an der Salar de Aguas Calientes beim Piedras Rojas, übernächtigt, der Felsen gibt idealen Windschutz und einen tollen Überblick über die Lagune – sie schwärmen von dem Campingplatz. Ich fahre weiter über den Pass in die eindrucksvolle Abendstimmung – kein Verkehr, allein.
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